Redebeitrag im Namens des Darmstädter Friedensbündnisses beim Antikriegstag 2023
Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
mein Name ist Uli Franke, ich spreche für das Darmstädter Friedensbündnis, das diese Veranstaltung zum Antikriegstag heute mit organisiert hat.
In meinem Beitrag spreche ich über die geopolitischen Hintergründe und Interessenslagen im Ukraine-Krieg.
Vor anderthalb Jahren ist dieser Krieg mit der Invasion Russlands in die Ukraine eskaliert. Allerdings befand sich die Ukraine bereits vorher in einem Bürgerkrieg um die Frage, ob sich das Land ökonomisch und politisch an Russland oder an der EU bzw. der NATO ausrichten soll. Um den Bürgerkrieg zu beenden wurde das Minsker Abkommen ausgehandelt. Es gab aber leider wenig Interesse, das Abkommen umzusetzen, denn der Erhalt einer neutralen Ukraine, die als Sicherheitspuffer dienen kann, entsprach nicht den eigentlichen Zielen der westlichen Strategen und des politischen Establishments der Ukraine.
Die Herauslösung der Ukraine aus ihrer Neutralität beziehungsweise aus ihrer politischen Zwiespältigkeit war der letzte Schritt der NATO-Osterweiterung, die seit den 90er Jahren betrieben wird.
Und zwar entgegen Versprechen, die bei der Auflösung des Warschauer Pakts gegenüber Russland abgegeben worden waren. Es war klar, dass die fortschreitende Umzingelung in Russland als strategisches Problem und als Bedrohung der Sicherheit gesehen wurde, aber trotzdem wurde sie insbesondere von den USA im Kampf um globale Überlegenheit mit großem Aufwand vorangetrieben. Wir erinnern uns an die Aussage von Victoria Nuland, dass 5 Milliarden Dollar in die Ukraine geflossen seien und dass sich diese Investitionen auch lohnen sollten.
Der Kipppunkt war der von rechten Kräften dominierte Maidan-Aufstand. Der Maidan führte zur illegalen Absetzung der Regierung, zu einer rabiaten Abkehr von der Kooperation mit Russland und zur Ausgrenzung der an Russland orientierten Bevölkerung. Die Ukraine wurde sukzessive zum antirussischen Frontstaat aufgerüstet.
Daraus ist schließlich der Stellvertreterkrieg entstanden, der nun seit zweieinhalb Jahren in der Ukraine wütet. Mit ihrem bemerkenswerten Ausspruch, dass „wir uns im Krieg mit Russland“ befänden, und dass es darum ginge, Russland zu ruinieren, hat unsere Außenministerin das im Grunde bestätigt.
Wenn wir darauf pochen, dass auch die Vorgeschichte erzählt werden muss, dann geht es natürlich nicht darum, das Handeln Russlands zu rechtfertigen. Die Friedensbewegung wird niemals einen Krieg gutheißen, und sie sympatisiert natürlich nicht mit dem politischen „System Putin“, wie propagandistisch manchmal behauptet wird.
Die Friedensbewegung lehnt grundsätzlich das politisch-ökonomische System ab, in dem die Staaten, insbesondere die großen Mächte, mit militärischen Mitteln ihre strategischen und wirtschaftlichen Interessen durchsetzen.
Wir wollen ein internationales System, das auf Kooperation und nicht auf Konkurrenz beruht. Nur so erreichen wir gemeinsame Sicherheit, wirtschaftliche Entwicklung, weltweite soziale Gerechtigkeit und globalen Klimaschutz, den die Welt so dringend benötigt. Nur so ist ein dauerhafter und umfassender Frieden möglich!
Doch die Welt steckt tief in der wirtschaftlichen Konkurrenzlogik und in einer Militarisierung der internationalen Politik, die nicht erst mit dem russischen Angriff auf die Ukraine begonnen hat.
Wenn wir wollen, dass dieser Krieg endlich aufhört, dann können wir uns nicht darauf zurückziehen, dass die Welt eigentlich ganz anders funktionieren sollte.
Und es reicht andererseits auch nicht aus, sich der allzu billigen Forderung nach einem bedingungslosen Rückzug der russischen Truppen aus der Ukraine anzuschließen. Das mag politisch korrekt sein, ist aber kein realistischer Weg zu einer Lösung.
Um eine antimilitaristische Haltung zu vertreten und um taugliche Forderungen zu entwickeln, müssen wir auch innerhalb der Verhältnisse verstehen, aus welchen Motiven und Interessen sich dieser Krieg entwickelt hat. Deshalb ist es uns so wichtig, uns mit der Vorgeschichte zu befassen.
Und wir müssen uns klar machen, dass die Aufgabe der Friedensfreundinnen im Westen und überhaupt einer kritischen Öffentlichkeit in diesem Land darin besteht, vor allem die eigene Seite, also die Zeitenwende-Politik unserer Regierung und die aggressive Geopolitik der NATO zu kritisieren und entsprechende Forderungen zu stellen.
In diesem Sinne fordert das Friedensbündnis:
Dieser schreckliche Krieg, das tägliche Sterben und die Zerstörung
müssen so schnell wie möglich beendet werden!
Wir brauchen endlich den Aufbau diplomatischer Kanäle und die Aufnahme von ernsthaften Verhandlungen.
Einem schnellen Waffenstillstand müssen Friedensverhandlungen
in Anlehnung an das Minsker Abkommen folgen.
Solidarität mit den Menschen in der Ukraine heißt für uns, zu fordern, dass sie nicht länger als Kanonenfutter im Stellvertreterkrieg mißbraucht werden dürfen!
Wir fordern:
Stoppt den Krieg in der Ukraine, anstatt ihn durch Waffenlieferungen auszuweiten!
Nein zur weiteren Aufrüstung, denn wir wollen keine Waffenarsenale finanzieren,
sondern eine bessere Welt schaffen durch Investitionen in Bildung und Kinderbetreuung, in den sozialökologischen Umbau, in den sozialen Wohnungsbau und in eine Sozialpolitik, die der Armut ein Ende setzt!