Rede zur Resolution „Solidarisch an der Seite Israels“ (SV-2023/0057) in der Stavo am 19.12.2023
Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich möchte kurz begründen, warum meine Fraktion diese Resolution nicht mit eingebracht hat und ihr auch nicht zustimmen wird. Dabei hoffe ich, die richtigen Worte zu finden, damit unsere Haltung verständlich wird, aber der Beitrag keinen Anlass zu einer größeren kontroversen Debatte gibt. Denn auch wir wollen, dass die Stavo heute ein Signal der Solidarität und des Friedens sendet, das nicht von Zerstrittenheit überlagert und entwertet wird.
Selbstverständlich verurteilen wird die furchtbaren Massaker, den Raketenbeschuss und die Geiselnahmen der Hamas. Und selbstverständlich sehen wir den deutschen Staat und die Gesellschaft in der unbedingten Pflicht zum Schutz jüdischer Menschen und Einrichtungen vor antisemitischer Gewalt.
Das ist für uns jedoch kein Grund, uns solidarisch an die Seite des Staates Israel zu stellen, wie es in der Resolution bereits in der Überschrift formuliert ist. Denn Solidarität mit einem Staat bezieht sich nicht nur auf dessen Existenz, sondern auch auf seine Politik.
Der Staat Israel und seine immer weiter nach rechts driftenden Regierungen haben die Besiedlung und Besetzung des Westjordanlands zu verantworten, ebenso die weitgehende Abriegelung des Gazastreifens mit all den erdrückenden Folgen für die dortige Bevölkerung.
Und der als Reaktion auf den Angriff der Hamas durch die israelische Regierung in Gang gesetzte massive und völkerrechtswidrige Krieg fordert eine enorme Zahl von Opfern unter der Zivilbevölkerung und zerstört weitgehend die soziale Infrastruktur im kompletten Gaza-Streifen.
Mit dieser Politik können wir uns nicht solidarisieren. Wir lehnen sie ab und wir glauben auch nicht, dass sie den Bewohnerinnen und Bewohnern Israels Sicherheit bringt.
Auch eine deutsche Staatsräson können wir nicht bejahen, die den Staat Israel unabhängig von seinem Handeln bedingungslos unterstützt. Natürlich tritt Die Linke für das Existenzrecht Israels ein. Der Nahe Osten braucht aber auch eine nachhaltige und gerechte Friedenslösung, und diese kann es nur geben wenn gleichzeitig das Recht der Palästinenser auf eine eigene Staatlichkeit anerkannt und durchgesetzt wird.
Wir stellen uns also an die Seite der Menschen in Israel und Palästina. Wir unterstützen besonders diejenigen auf beiden Seiten, die für einen gerechten Frieden im Nahen Osten kämpfen.
Ich komme zu meinem zweiten Thema:
Selbstverständlich können die Rechtfertigung von Terrorangriffen und antisemitische Hetze nicht unter den Schutz der Meinungsfreiheit gestellt werden.
Allerdings gehen der deutsche Diskurs und auch das Verwaltungshandeln oftmals weit über die berechtigte Tabuisierung solcher Menschenfeindlichkeit hinaus. Das hat vielerorts dazu geführt, dass Demonstrationen auf bloßen Verdacht hin untersagt und Veranstaltern mit fragwürdigen Argumenten
die Räume verweigert wurden. Insgesamt stellen wir fest, dass „pro-palästinensische“ Aktivitäten regelmäßig unter den Generalverdacht des Antisemitismus gestellt werden. In diesem Zusammenhang finden wir den in der Resolution verwendeten Begriff der „verdeckten“ antisemitischen Propaganda sehr problematisch.
An dieser Stelle möchte ich das Lob der Organisatoren der „pro-palästinensischen“ Kundgebung in Darmstadt erwähnen. Dort wurde auf der Bühne die gute Kooperation mit der Ordnungsbehörde angesprochen und es wurde hervorgehoben dass die Stadt Darmstadt sich hier anders verhalten hat
als andere hessische Großstädte. Vielen Dank auch von unserer Seite an den Magistrat und den zuständigen Dezernenten für diese demokratische Herangehensweise.
Wir hätten uns aber darüber hinaus gewünscht, dass auch in der Resolution ein Signal an die palästinensische Community gesendet wird. Nämlich, dass wir es respektieren, wenn sie ihre Trauer und ihre Empörung über die zivilen Opfer der Bombenangriffe und ihre Sichtweise auf den Nahostkonflikt zum Ausdruck bringen wollen.
Das führt zum dritten Punkt meines Beitrags: Aus unserer Sicht kommt in der Resolution die Lage der in Deutschland lebenden palästinensischen und arabisch-muslimischen Menschen zu kurz.
Auch sie hat die Eskalation in großes Leid gestürzt – nicht nur weil sie in ihren Familien oft mehrere Getötete zu beklagen haben.
In unserem Land sind sie in besonderer Weise dem Generalverdacht des Antisemitismus ausgesetzt, wenn sie sich für ein Ende des Bombardements in Gaza einsetzen oder ihre Sicht auf den Nahostkonflikt ansprechen.
Ähnlich wie Jüdinnen und Juden berichten sie über Angriffe, wenn sie sich auf der Straße als Palästinenserinnen zu erkennen geben. Der ohnehin schon bestehende antimuslimische Rassismus hat seit dem 7. Oktober neue Nahrung bekommen.
Dies berichteten uns Menschen aus der palästinensischen Community, mit denen wir uns zum Gespräch getroffen haben. Gleiche Aussagen finden sich auch in der sehr guten tagesschau-Reportage „Einschüchterung, Wut, Angst: Wie palästinensische Menschen in Hessen den Nahostkonflikt erleben“,
wobei der Titel irreführend ist, da auch jüdische Menschen zu Wort kommen.
Vor diesem Hintergrund fehlt uns in der Resolution ein Auftrag an den Magistrat, neben dem Austausch mit der jüdischen Gemeinde auch den Dialog mit der palästinensischen Gemeinde oder mit Vertreterinnen und Vertretern entsprechender Moscheen zu suchen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
in der besagten Reportage wünschen sich die Protagonistinnen Deeskalation und Völkerverständigung, und dass man sich zuhört und Wege zueinander findet.
Sie wünschen sich dass der Schmerz und die Trauer aller Beteiligten anerkannt werden, und dass man beide Seiten gleichwertig behandelt, anhört und beachtet.
Diese Ansprüche an unsere Politik und Gesellschaft finden wir sehr wichtig, um hier und im Nahen Osten Frieden zu stiften.
Sie haben jedoch aus unserer Sicht nur unzureichend Eingang gefunden in die vorgelegte Resolution, so dass wir uns bei der Abstimmung enthalten werden.
Resolution „Solidarisch an der Seite Israels“
Offener Brief des Darmstädter Friedensbündnisses an OB Hanno Benz