2 Mio für das Gewerbe und 26 Mio für die Haushalte? Das ist nicht gerecht!

Rede zur Erhöhung der Grund- und Gewerbesteuer (SV-2023/0411) in der Stavo am 19.12.2023

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir müssen als Oppositionsfraktion dem Magistrat und dem Kämmerer einigen Vertrauensvorschuss entgegenbringen, um ohne Ansicht des Haushaltsentwurfs über diese Vorlage zu diskutieren. Dies tun wir und lassen uns also für diese Debatte darauf ein, dass die Stadt wirklich nur durch die Erhöhung der kommunalen Steuern um 28 Mio Euro im kommenden Jahr halbwegs unbeschadet über die Runden kommen kann. Die Begründung für die Vorziehung der Steuererhöhung ist ja durchaus nachvollziehbar.

Wir sind überhaupt nicht damit einverstanden, wie der Magistrat die erforderlichen Mehreinnahmen auf die beiden Steuerarten verteilen will: die Gewerbesteuer soll bei einer Erhöhung um 1% gerade einmal mit 2 Mio Euro beitragen, die Grundsteuer hingegen soll durch Erhöhung um 64% den Löwenanteil von 26 Mio Euro erbringen.

Ich erinnere daran, dass die Gewerbesteuer zu großen Teilen von Großunternehmen und Konzernen bezahlt wird, während die Grundsteuer bei vielen ohnehin schon klammen Haushalten einen weiteren Posten der Nebenkostenabrechnung in die Höhe treibt.

Wir sperren uns nicht gegen jede Erhöhung der Grundsteuer, weil ansonsten die Gewerbesteuer um 70 Punkte angehoben werden müsste und dies insbesondere für die kleinen Gewerbetreibenden kaum noch leistbar wäre.

Außerdem sehen wir das Argument, dass die Grundsteuer nicht automatisch der Inflation folgt und ab und zu angepasst werden kann. Aber was der Magistrat in dieser Vorlage vorschlägt ist ein grobes Missverhältnis, das wir keiner Weise akzeptieren können.

Wir beantragen deshalb eine andere Verteilung des zusätzlichen Steueraufkommens.

Unsere Hebesätze sind so gestaltet, dass beide Steuerarten jeweils zur Hälfte den Mehrbetrag erbringen. Wenn man mit einberechnet, dass das Gewerbe auch Grundsteuer zahlt, entfallen mit unserer Änderung auf das Gewerbe 18 Mio anstatt 10 Mio laut Magistratsvorlage, und auf die Haushalte nur 10 Mio anstatt 18 Mio Euro.

Ein mittlerer Haushalt in einer bescheidenen Mietwohnung würde mit ungefähr 8 Euro pro Monat zusätzlich belastet anstatt mit 16 Euro nach dem Vorschlag des Magistrats.

Es ist uns nicht leicht gefallen, überhaupt einen Vorschlag zu machen, der auch die Normal- und Niedrigverdiener mit einbezieht.

Seit Jahren werden die Armen ärmer und die Reichen reicher.

Deshalb bräuchten wir eine zusätzliche Besteuerung der Reichen und Wohlhabenden in unserem Land, damit die finanziell Leistungsfähigen die Lasten tragen für den klimagerechten Umbau unserer Infrastruktur, für die Schaffung von sozialer Teilhabe für alle Menschen, für die Kosten infolge der verschiedenen weltweiten Krisen, und auch für die Aufnahme und menschenwürdige Behandlung von Geflüchteten.

Doch die „Ampel“ in Berlin weigert sich, eine substantielle Vermögens- und Erbschaftssteuer einzuführen, den Spitzensteuersatz wieder anzuheben, und den Gewinn der großen Kapitalgesellschaften stärker zu besteuern. Mit diesen Einnahmen wären der Bund und die Länder in der Lage, den Kommunen die Kosten für die auferlegten Aufgaben endlich vollständig gegenzufinanzieren.

Nötig wäre auch eine Umstellung der Kommunalfinanzierung, so dass die Einnahmen weniger stark auf die wirtschaftliche Lage reagieren und weniger von dem Erfolg einzelner Unternehmen abhängig sind. Vor lauter Angst, dass man sich dabei im Netz der Klientelpolitik und der Profilierungssucht erheddert, wurde hier überhaupt nichts auch nur versucht.

Wesentlich mitverantwortlich für die heutige Notwendigkeit, die kommunalen Steuern so kurzfristig anzuheben, ist das Mantra der Neoliberalen, nämlich die Schuldenbremse. Diese ist nicht schuld an den strukturellen Defiziten, aber sie verhindert, dass eine Kommune vorübergehende Steuerausfälle durch Kreditaufnahme kompensieren kann. Trotzdem wird stur an ihr festgehalten.

Finanzminister Christian Lindner behauptet, dass es mit ihm keine Steuererhöhung gebe. Das ist nicht wahr!

Die Steuererhöhung, die wir heute leider beschließen müssen, um die Funktionsfähigkeit unserer Kommune zu sichern, folgt direkt aus der Finanz- und Steuerpolitik der „Ampel“ und auch der vorherigen Bundesregierungen.

Tatsächlich verhindern Lindner und die Kapital-Lobby eine Umverteilung von oben nach unten, die durch Bundes-Steuern umgesetzt werden könnte, aber mit unseren kommunalen Steuern nur in ganz geringem Umfang möglich ist.

Vor diesem Hintergrund wäre es für uns auch eine plausible Option, die Erhöhung der Grundsteuer prinzipiell nicht mitzugehen. Es gibt sicherlich Einige, die das auch von uns erwarten.

Wir haben uns aber entschieden, die Zumutungen der übergeordneten Politik nicht nur zu kritisieren, sondern auch zu zeigen, dass es einen tragfähigen Ansatz gibt, der das Gewerbe nicht überfordert und die soziale Ungerechtigkeit des Erhöhungspakets erheblich verringert. Und der das geringere Übel ist gegenüber Kürzungen im Bereich der freiwilligen Leistungen, die ja ebenfalls sozial ungerecht wären, die auf Kosten des Zusammenhalts gingen und die Funktionsfähigkeit der Stadtgesellschaft gefährdeten.

Wir bitten um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag. Mit diesen Änderungen würden wir die verübergehende Anhebung der kommunalen Steuern akzeptieren.

Magistratsvorlage 2023/0411 zur Erhöhung der Grund- und Gewerbesteuer