Rede zum Antrag „Innenstadtfeste für alle“ (SV-2023/0026) in der Stavo am 20.07.2023
Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich war noch nie ein großer Freund des Schlossgrabenfests. Ich fand es wie viele andere Menschen zu voll, zu eng und zu laut.
Die Darmstädter Alltags-Kulturpraxis, während des Schlossgrabenfests ein verlängertes Wochenende irgendwo anders zu verbringen existiert ungefähr so lange wie das Fest selbst.
Aber dennoch haben die meisten Schlossgraben-Muffel die Lautstärke und die Sperrungen im Stadtzentrum geduldig hingenommen, weil man ja viele Leute kannte, die gerne dorthin gegangen sind, weil es lokale Bands gab, denen man das Publikum gönnte, und weil ein kostenfreies, für alle zugängliches Fest einfach sympathisch ist, auch wenn es einem selbst dort nicht so viel Spaß macht.
Ich erinnere mich an einen sonnigen Nachmittag vor einigen Jahren, als ich eher zufällig beim Durchqueren der Stadt über das Festgelände fuhr und an einer der kleinen Bühnen hängen blieb, die es damals noch gab.
Ich war angenehm überrascht, wie schön es beim Schlossgrabenfest sein kann zu dieser frühen Uhrzeit wenn die Massen sich noch nicht auf dem Karolinenplatz drängen.
Heute ist das alles vorbei.
Der lokale Schwerpunkt des Programms wurde schon sehr früh aufgegeben. Dann kamen abends die Einlasskontrollen, wegen der Katastrophe bei der Loveparade und weil das Fest immer größer geworden war. Der nächste Schritt war der Kaufbecher, ohne den man keine Getränke bekam. Das war schon so etwas wie ein kleines Eintrittgeld, dem man sich aber immerhin entziehen konnte, indem man nicht lang blieb oder den Becher mit anderen teilte.
Zu diesem Zeitpunkt kam bereits deutlich vernehmbarer Unmut gegenüber dem Schlossgrabenfest auf.
Seitdem im letzten Jahr erstmals Tickets verkauft wurden, die ein Vielfaches des Bechers kosten und Tage vorher ausverkauft sind, seitdem man auch nachmittags nicht mehr kurz übers Fest gehen kann, hat sich das Schlossgrabenfest leider endgültig von unserer Stadtgesellschaft entfernt und entfremdet.
Das verdeutlicht auch die Kritik von Gastronomen und Kultureinrichtungen rund um den Friedensplatz: diese lokalen Akteure stellen leider keine Synergieeffekte fest, sondern sehen sich in eine Randexistenz gedrängt.
Das Schlossgrabenfest ist leider kein „Fest für alle“ mehr: Menschen mit wenig Geld bleiben außen vor, und mir scheint dass es auch nicht mehr als Generationen-übergreifende Veranstaltung konzipiert ist.
Es ist stattdessen ein kommerzielles Großereignis mit einem immer größeren Einzugsbereich geworden, für das die Darmstädter Innenstadt in erster Linie als kostengünstiges Gelände und als historische Kulisse dient.
Deshalb hat sich in der Stadtgesellschaft eine ziemlich eindeutige Stimmung gegen das Schlossgrabenfest entwickelt. Ich glaube, das kann hier niemandem entgangen sein.
Viele Darmstädterinnen und Darmstädter sind nicht mehr damit einverstanden, dass der öffentliche Raum für dieses nicht-mehr-öffentliche Fest tagelang privatisiert wird.
Deshalb wird es Zeit, dass sich die Stadtverordnetenversammlung mit der Zukunft des Schlossgrabenfests und natürlich auch grundsätzlich mit den Rahmenbedingungen für vergleichbare Veranstaltungen auseinandersetzt.
Die Vorgabe für Sondernutzungen, die wir mit unserem Antrag vorschlagen, ist ein Kompromiss zwischen einem innenstädtischen Musikfestival für alle, so wie wir es uns eigentlich wünschen, und der heutigen Realität des Schlossgrabenfests.
Veranstalter, die die Innenstadt für ein Festival nutzen wollen, sollen weiterhin für einen Teil der Konzerte Eintritt erheben dürfen, aber die Stadt muss darauf bestehen, dass ein erheblicher Teil des Programms frei zugänglich bleibt.
Dies könnte zum Beispiel durch freien Eintritt an bestimmten Festival-Tagen, an den Nachmittagen oder in bestimmten Bereichen des Festgeländes erfolgen.
Wenn sich das finanziell oder organisatorisch nicht machen lässt, dann müssen wir den Mut haben zu sagen: Eine Großveranstaltung, die die Bürgerinnen tagelang erheblich beeinträchtigt, ihnen aber keinen freien Zugang bieten kann, gehört nicht ins Zentrum der Stadt.
Vielen Dank.