„Anwohner müssen einen Parkplatz in ihrem Teilbereich finden können“

Rede in der Stavo am 29.9.2022 zum Antrag „Superblocks in Darmstadt“ (SV-2022/0050)

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

das Leitbild der autogerechten Stadt
hat auch Darmstadt über Jahrzehnte hinweg geprägt.
Superblocks können Kristallisationskerne sein
für den Umbau zu einer menschen- und klimagerechten Stadt.

Das finden wir grundsätzlich richtig und wichtig,
und deshalb werden wir dem Antrag zustimmen.

Ich will aber trotzdem feststellen,
dass es für die Bewohner einer autoarmen Insel
ziemlich schwierig sein kann,
wenn drumherum der Umweltverbund immer noch vernachlässigt ist und
wenn nach wie vor alles auf den motorisierten Individualverkehr ausgerichtet ist.

Damit meine ich zum Beispiel

  • die mitunter desaströse Unzuverlässigkeit des Bahnverkehrs
    gerade auf den Pendelstrecken und
    die sprichwörtlichen „vollen Züge“,
    in denen man den Weg zur Arbeit genießen darf.
  • die mangelhafte Anbindung des Umlands,
    insbesondere durch schienengebundenen Nahverkehr
  • das gerade von vorsichtigen Radlern
    nach wie vor als gefährlich empfundene Radwegenetz
  • den Mangel an sicheren Abstellanlagen
    für E-Bikes und Lastenräder in den Vierteln


Weil deshalb viele Haushalte auch bei gutem Willen
ihr Auto nicht so einfach abschaffen können,
müssen die Bedenken aus dem Viertel sehr ernst genommen werden.

Befürchtet wird vor allem ein Parkplatzmangel,
der zu ärgerlichem Parksuchverkehr im Superblock führt.
Und die ohnehin schon lärmgebeutelten Anlieger
der umliegenden Hauptverkehrsstraßen sehen
noch weitere Belastungen auf sich zukommen.

Die Akzeptanz des Projekts wird stark davon abhängen,
dass die Anwohner, die 120 Euro pro Jahr bezahlen,
auch wirklich einigermaßen sicher einen Platz
in ihrem Teilbereich finden werden.

Ich habe mich gewundert, dass in der Antragsbegründung
das Reizthema „Parken“ weitgehend ausgeblendet wird.
Allerdings vermittelt der Text den Eindruck, dass
– anders als sonst bei der Einführung von Anwohnerparken üblich –
zur Begrünung und Möblierung der Straßen
bereits von Beginn an mehr als nur einzelne Stellplätze wegfallen sollen.

Ich hätte Zweifel, ob das
ausgerechnet in dem am dichtesten besiedelten Viertel funktionieren kann.
Eine gewisse Behutsamkeit wird erforderlich sein.

Jedenfalls wären ein paar klärende Worte der Antragsteller
zur Stellplatzfrage gut gewesen.


Ich glaube, die Mehrheit der Menschen hat verstanden,
dass wir unser Mobilitätsverhalten ändern müssen und
dass das Auto als individuelles Verkehrsmittel nicht die Zukunft sein kann.

Damit die Verkehrswende gelingt und die Menschen mit ihr zufrieden sind,
müssen aber auch Alternativen vorhanden sein, die es ermöglichen,
sowohl die mit dem Kfz zurückgelegten Strecken als auch
auch den Fahrzeugbestand deutlich zu verringern.

Bei der Umsetzung eines Heinerblock-Konzepts im Martinsviertel
sehen wir hierzu einigen Handlungsbedarf:

  • neben dem gewerblichen Carsharing muss auch
    das selbstorganisierte Carsharing gefördert werden.
    Für selbstorganisierte Projekte könnten feste Stellplätze
    mit Lademöglichkeit zur Verfügung gestellt werden
  • es muss eine ambitionierte Infrastruktur
    von diebstahlsicheren Abstellplätzen für wertvolle Räder aufgebaut werden.
    Gerade im Martinsviertel fehlt zum Abstellen oft der Platz in den Höfen
    oder es gibt keinen ebenerdigen Zugang zu diesen.
    Ich finde die Stadt ist da bisher nicht gut aufgestellt.
  • für ältere und mobilitätseingeschränkte Menschen
    muss der Heinerliner als Alternative zum eigenen Auto propagiert werden.
    Dazu könnte das neue Angebot der Ein-Euro-Fahrten ausgeweitet werden
    auf alle Rentner-Haushalte, die kein Auto besitzen.
  • Die ÖPNV-Anbindung des Martinsviertels durch den L-Bus
    mit der aktuellen Linienführung ist unbefriedigend.
    Ein autoarmes Martinsviertel braucht den L-Bus als
    eine in beiden Richtungen befahrene Ringlinie,
    so wie wir es bei der Optimierung des Busnetzes vorgeschlagen hatten.

Die Menschen wollen frühzeitig mitentscheiden und mitgestalten,
wie ihr Viertel aussehen und wie es funktionieren soll.

Eine echte Beteiligung der Anwohnerinnen vor Ort ist gefragt,
bevor Fakten geschaffen werden.
Das wird mitentscheidend sein für den Erfolg dieses Versuchs.

Ich hoffe und appelliere, dass dieser Beteiligungsprozess
von dem gemeinsamen Interesse

  • an einer Verkehrswende und konkret
  • an der Verringerung der Zahl der individuellen Kraftfahrzeuge

geleitet sein wird.

Vielen Dank