„Es gibt viele Gründe, warum wir aufhören müssen, den Boden großflächig zu versiegeln“

Rede in der Stavo am 21.7.2022 zur Budgetplanung für die Untersuchung der Flächen für das Gewerbegebiet „Wixhausen Ost“ (2022/0152)

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,
liebe Kolleginnen und Kollegen

heute gibt es zwar nichts zu entscheiden über die beiden Gewerbegebiete im Norden Darmstadts, die die Koalition dort in den Boden stampfen möchte.

Wir wurden aber freundlicherweise vorgewarnt, dass in den kommenden vier Jahren etwa zwei Millionen Euro alleine für die Untersuchung in „Wixhausen Ost“ fällig werden. Ich nehme mal an, dass eine solche Untersuchung für „Arheilgen West“ folgen wird und ähnliche Kosten verursacht.

Das ist ein guter Anlass, um nochmal über das Vorhaben zu reden und es im Licht aktueller Entwicklungen zu bewerten.

Die Kosten sind allerdings nicht der Hauptgrund für unsere Kritik, sondern nur ein Zusatzärgernis. Wir lehnen die Einrichtung der neuen Gewerbegebiete vor allem deshalb ab, weil gutes Ackerland in der Größenordnung von 100 Hektar versiegelt würde.

Die Flächenversiegelung in Hessen beträgt momentan etwa 1000 Hektar pro Jahr. Im Jahr 2021 wurde in der Kooperationsvereinbarung „Landwirtschaft und Naturschutz in Hessen“ zwischen den Naturschutzverbänden und der Landesregierung vereinbart, dass die Neuversiegelung von Flächen in Hessen immer weiter reduziert und bis 2040 komplett gestoppt wird. Um das zu schaffen, müssen Jahr für Jahr immer weniger Flächen in Anspruch genommen werden. Stattdessen wollen Sie – allen voran die Grünen! – mit diesem Vorhaben schätzungsweise im Jahr 2030 nochmal mindestens 100 Hektar bebauen. Das wird ein ganz erheblicher Anteil dessen sein, was dann in Hessen jährlich überhaupt noch versiegelt werden darf.

Ich fürchte, wenn alle Städte und Kreise so an die Aufgabe herangehen, dann kann wird man diese Kooperationsvereinbarung bald in die Tonne treten müssen.

Es gibt viele Gründe, warum wir aufhören müssen, den Boden großflächig zu versiegeln. Ich möchte zwei davon ansprechen, weil sie aus aktuellen Anlässen besonders im Blick der Öffentlichkeit stehen.

1.
Wir bekommen in diesen Tagen wieder sehr deutlich zu spüren, dass die Folgen des Klimawandels
die Lebensbedingungen in unserer Stadt verändern. Extrem heiße Tage und unangenehm warme Nächte werden immer häufiger und machen vielen Menschen sehr zu schaffen. Jeder Hitzesommer bringt in Deutschland mehrere Tausend zusätzliche Sterbefälle. Deshalb gilt Hitze als die tödlichste Naturkatastrophe, von der übrigens ärmere Menschen, die sich nicht so gut schützen können,
überdurchschnittlich stark betroffen sind.

Dem endlich veröffentlichten Klimagutachten ist zu entnehmen, dass Arheilgen jetzt und in Zukunft
nicht so extrem aufheizt wie die Kernstadt. Dies geht auch auf die unbebauten Ackerflächen
im Osten und Westen des Stadtteils zurück, die die Luft abkühlen und Luftbewegungen nicht behindern. Wenn Arheilgen nun von beiden Seiten durch neue Gebäude und Verkehrsflächen umgeben wird, dann wird es auch dort künftig heißer sein.

Die Gewerbegebiete schwächen also die lokale Klimaresilienz, also die Widerstandsfähigkeit gegen die zunehmende Hitze. Ein guter Grund, sie nicht zu bauen.

2.
Vor zwei Wochen hat die IGAB uns Stadtverordnete eingeladen zu einer Begehung der Ackerflächen, die dem heute zur Rede stehenden Gewerbegebiet zum Opfer fallen würden. Bei dieser Begehung wurde für mich erst richtig erfassbar, wie groß die Flächen sind, um die es hier geht.

Dort wird vor allem Getreide angebaut, das auch konkret zu einer wohnortnahen Nahrungsmittelversorgung beiträgt. Wir sehen doch gerade, wie die weltweiten Krisen und Kriege die Lieferketten beeinträchtigen und die Spekulation befeuern. Deshalb müssen wir nicht nur bei der Energieversorgung die Abhängigkeiten verringern sondern auch andere lebenswichtige Güter vor Ort produzieren.

Die aktuellen Geschehnisse machen deutlich, dass es bei der Forderung, den lokalen Anbau zu stärken, nicht nur um kurze, klimafreundliche Transportstrecken geht, sondern auch immer konkreter um unsere Versorgungssicherheit.

Das ist ein weiterer guter Grund, von der Vernichtung der Ackerflächen Abstand zu nehmen.

Unsere Stadt ist in den vergangenen 15 Jahren um mehr als 20.000 Einwohnerinnen und Einwohner gewachsen. Das war insbesondere dank der Konversionsflächen noch ohne größeres Außenwachstum möglich.

Nun werden die Flächen allerdings knapper. Das wird also nicht enfach so weitergehen können.

Wir appellieren nochmal, im Sinne des Klimaschutzes, der Resilienz gegen den Klimawandel, des Erhalts der Biodiversität, der Nahrungsmittelsicherheit und nicht zuletzt des Erhalts von Naherholungs-Möglichkeiten unsere bereits stark gewachsene Stadt ökologisch und klimafreundlich zu konsolidieren.
Wir dürfen nicht auf einen weiteren Zuwachs von 20.000 Bürgerinnen hinarbeiten.

Das heißt zuallererst: wir sollten die städtebauliche Maßnahme nicht weiter betrieben und nebenbei 2 Millionen Euro einsparen.

Die Linksfraktion wird sich weiter am Widerstand gegen die Gewerbegebiete im Norden beteiligen, innerhalb und außerhalb dieses Hauses.

Vielen Dank