„Bei der SSG findet unter den Augen des Magistrats Tarifflucht statt“

In der Stadtverordnetenversammlung am 15.07.2021 hat die Fraktion DIE LINKE einen Antrag eingebracht, dass Tarifflucht und Befristungen bei der Service-Tochter des Klinikums Darmstadt beendet werden. Hier ist meine Rede dazu.

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Beschäftigte der SSG auf der Besuchertribüne

in der Stadtwirtschaftsstrategie hat die Stadt ihren Unternehmen einen klaren sozialen Auftrag erteilt:

„Die Unternehmen der Stadtwirtschaft sind verantwortungsvolle Arbeitgeber. Hierzu gehören wettbewerbsfähige Löhne und Gehälter, Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen und die Minimierung von Leiharbeitsverhältnissen. […] Tarifflucht ist nicht zulässig. Auf sachgrundlose Befristungen wird
nach Möglichkeit verzichtet.“

In vielen Bereichen erfüllt der Stadtkonzern diese Anforderungen. Doch es gibt einige städtische Töchter, bei denen das nicht der Fall ist.

Die Beschäftigten der Starkenburg Service Gesellschaft, einer Ausgliederung des Klinikums, haben jedenfalls keinen verantwortungsvollen Arbeitgeber – nicht nur nach meiner Auffassung, sondern auch nach der Definition unserer Stadtwirtschaftsstrategie.

Das belegt die Antwort des OB auf unsere Große Anfrage zur Tarifbindung, die heute zusammen mit diesem Antrag auf der Tagesordnung steht.

Der OB räumt darin ohne größeres Bedauern ein, dass bei der SSG kein Tarifvertrag angewendet wird. Dort findet also unter den Augen des Magistrats Tarifflucht statt.

Ebenso teilt er mit, dass die SSG die Möglichkeiten des Teilzeitbefristungsgesetzes ausreizt, um einen erheblichen Teil der Arbeitnehmer befristet einzustellen. Soweit wir wissen, handelt es sich meist um verkettete Halbjahresverträge, und nach zwei Jahren ist dann oft Schluss. Das ist zwar legal, aber nicht legitim, schon gar nicht für einen öffentlichen Arbeitgeber.

Betroffen von der Tarifflucht und von diesen Befristungen sind mehrere hundert Menschen, die

  • Patientinnen und Patienten im Krankenhaus zu ihren Untersuchungen transportieren, und dabei mitunter über 20 Kilometer pro Schicht laufen.
  • die hohe Verantwortung tragen, das Haus fachgerecht zu reinigen und zu desinfizieren und die dabei auch die Ansteckung mit Covid-19 riskieren mussten.

Die Entlohnung beträgt 11,12 Euro/Stunde, das sind 1.930 Euro im Monat brutto bei 40-Stunden-Woche ohne jede Steigerung im Laufe der Betriebszugehörigkeit.

Mit diesem Arbeitslohn kann man in Darmstadt kaum die Lebenshaltungskosten bestreiten. Das ist Altersarmut made by Klinikum Darmstadt.

Seit Jahren diskutieren wir die Forderung, dass die Stadt und der EAD nicht mehr die unterste Gehaltsgruppe des TVöD anwenden sollen.

Die Beschäftigten der SSG würden sich über diese Eingruppierung freuen, denn dann hätten sie schon beim Einstieg 150 Euro mehr, nach langjähriger Beschäftigung wären es 400 Euro.

Das ist schäbig.

Ich finde es unwürdig und empörend, was Mitarbeitern in einem unserer Unternehmen zugemutet wird.

Genau solchen Beschäftigten im Gesundheitswesen haben die Bürger*innen vor einem Jahr durch öffentlichen Applaus und herausgehängte Banner ihren Respekt und ihren Dank ausgesprochen.

Manche haben dazu gesagt: „Von Applaus kann man sich nichts kaufen“, und ich füge hinzu: und auch die Miete nicht bezahlen.

Ich will jetzt nicht den Applaus schlecht reden, sondern ich dränge darauf, dass der ernstgemeinte emotionale Impuls aus der Bevölkerung nun von der Politik in Wertschätzung umgesetzt wird. Dafür hat es unterdimensionierte Einmalzahlungen gegeben, die in der SSG allerdings nicht transparent und zur Zufriedenheit der Betroffenen verteilt wurden. Die Beschäftigten bei der SSG brauchen aber anständige Entlohnung und soziale Sicherheit – jetzt und im Alter!

Unser Antrag bezweckt, dem Klinikum klar und deutlich die politische Botschaft mitzugeben,

  • dass wir mehr Wertschätzung für die Kolleginnen und Kollegen sehen wollen.
  • dass die Vorgaben der Stadtwirtschaftsstrategie ernst zu nehmen sind.
  • dass Befristungen und Tariflosigkeit bei der Starkenburg Service GmbH beendet werden müssen.

Er bezweckt weiterhin, dem gesamten Stadtkonzern zu signalisieren, dass wir keine internen Unternehmensausgründungen wollen, die hauptsächlich dem Zweck der internen Arbeitnehmerüberlassung dienen, die also dafür geschaffen wurden, einen Teil des Personals tariflos, befristet oder anderweitig zu schlechteren Konditionen als im Stammbetrieb einstellen zu können.

Auch das sind Leiharbeitsverhältnisse, die laut Stadtwirtschaftsstrategie minimiert werden sollen!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es sollte doch eigentlich selbstverständlich sein:

Menschen, die im gleichen Betrieb arbeiten, müssen auch nach den gleichen Regeln behandelt werden insbesondere müssen sie nach dem gleichen Tarifvertrag bezahlt und von einem gemeinsamen Betriebsrat vertreten werden.

Es würde mich freuen, wenn Sie zum Start der neuen Koalition gemeinsam mit der Opposition dieses Zeichen für sozialer Gerechtigkeit setzen würden.