„Wachstum der Stadt sozialverträglich abbremsen!“

Rede zur Bebauung des Kuhnwaldt-Geländes und des Messplatzes in der Stavo am 02.05.2024

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

die beiden Debatten um die Bebauung des Kuhnwaldt-Geländes und des Messplatzes
liegen aus unserer Sicht nahe beieinander. Deshalb will ich versuchen, beides in einem Redebeitrag zusammenzufassen. Was ich jetzt zu dem Antrag der FDP zu sagen habe, begründet also auch unsere Haltung zur Bebauung des Messplatzes.

Ich war irritiert in der Zeitung zu lesen, dass der OB kritisch zum ungebremsten Wachstum der Stadt stehe und aus diesem Grund lieber Gewerbe ansiedeln statt Wohnungen bauen will. Wie wir hier schon oft dargelegt haben, können auch wir uns für die exorbitanten Wachstumsprognosen nicht begeistern und wollen politisch steuern, dass das Wachstum abgebremst wird.

Aber um dies zu erreichen, können wir doch nicht den Wohnungsbau zurückfahren und stattdessen in größerem Stil neues Gewerbe ansiedeln!

Die neuen Arbeitsplätze ziehen weitere Menschen nach Darmstadt, und wenn ihnen kein Wohnraum zur Verfügung gestellt wird, dann wird das Wohnen noch teurer und die Pendlerströme schwellen an. Das führt in ein sozialpolitisches und verkehrspolitisches Desaster. Außerdem entsteht in den alten Quartieren ein zusätzlicher Druck in Richtung Innenverdichtung, mit entsprechenden Folgen für die städtebauliche Qualität des Wohnumfelds vieler Bürgerinnen in der ganzen Stadt.

In der vorigen Legislaturperiode hatte die SPD sich regelrecht festgebissen in der Ankündigung von Jochen Partsch, 10.000 neue Wohnungen zu bauen. Sie hatte immer wieder die Baufortschritte abgefragt und kritisiert, dass der Wahlpropaganda nicht ausreichend Tatsachen gefolgt sind.
„Bauen bauen bauen“ war das Mantra, um den hohen Mieten in Darmstadt entgegen zu wirken.
Und nun schlägt der SPD-OB vor, eines der 10.000-Wohnungs-Projekte abzumoderieren? Also, wenn hier kein Dissens zwischen Fraktion und OB vorliegt, dann wäre interessant zu wissen, was diesen Stimmungsumschwung hervorgerufen hat. Wir verstehen es jedenfalls nicht.

Wir wollen das Wachstum genau auf die umgekehrte Weise sozialverträglich abbremsen: Auf den verbleibenden freien Flächen, also auf dem Kuhnwaldt-Gelände und dem Messplatz, später auch auf dem Starkenburg-Gelände, werden hauptsächlich Wohnungen erstellt, und zwar mit einem hohen Anteil an sozial gefördertem Wohnraum. Dabei soll insbesondere auf dem Kuhnwaldt-Gelände durchaus auch Raum für Gewerbe geschaffen werden, zum einen als Teil der Alltags-Infrastruktur für die Waldkolonie, aber auch unabhängig davon für kleines Handwerk und andere Betriebe.
Außerdem scheint es ja darauf hinauszulaufen, dass dort ein neues Straßenbahn-Depot entstehen wird.

Unsere Idee für die sozialverträgliche Begrenzung des Wachstums ist, dass zunächst noch ein wachsendes Angebot an Wohnraum bereitgestellt wird, während der Ausbau der Gewerbeflächen gering bleibt. Wenn die Zahl der Arbeitsplätze unterproportional wächst, schwächen sich die ökonomischen „Pull-Faktoren“ für den Zuzug ab. Der Wohnungsmarkt entspannt sich, und Einpendler aus dem Landkreis haben bessere Chancen, nach Darmstadt zu ziehen und so den Verkehr zu entlasten.

Die Entwicklung des Kuhnwaldt-Geländes zu einem Gewerbegebiet würde übrigens auch die Menschen in der angrenzenden Waldkolonie vor den Kopf stoßen. Sie erhoffen sich die Aufwertung ihres Viertels
durch verbesserte Infrastruktur in dem neuen Wohngebiet. Bei einer sehr gut besuchten virtuellen Bürgerversammlung vor zwei Jahren hatten sie sich ganz eindeutig gegen die Schaffung eines großen Gewerbegebiets verwehrt. Jetzt kommt wahrscheinlich schon das Depot – für den Rest muss auch im Interesse der Waldkolonie der Fokus auf Wohnen plus Infrastruktur erhalten bleiben.

Die Linke will die Stadtentwicklung jedenfalls nicht an der Maximierung von Gewerbesteuer-Einnahmen ausrichten. Das Gewerbe kann mit den bestehenden Flächen auskommen, plus der einen oder anderen passenden Erweiterung zum Beispiel an den Kelley-Barracks oder begleitend zur Entwicklung neuer Wohnviertel. Durch die Zunahme der Arbeit im Homeoffice sehen wir bei Büroflächen aktuell eher ein Überangebot als einen Mangel. Hier gibt es Wachstumspotential ganz ohne Verzicht auf Wohnungsbau.

Wir werden also gegen den Antrag der FDP stimmen, und später auch dafür votieren, dass das Baurecht auf dem Messplatz wie geplant mit dem Schwerpunkt auf Wohnen beschlossen wird.

Vielen Dank