Rede zum Scheitern des Bürgerbudgets und zur Neuauflage des „Bürgerhaushalts 2.0“ in der Stavo am 02.05.2024
Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
der Umgang des Magistrats mit dem Bürgerbudget „Mein Projekt für die Stadt“ ist seit Ende 2020 eine einzige Abfolge von Unzulänglichkeiten. Und zwar in dreierlei Hinsicht: (1) im Umgang mit der Jury, (2) in der Kommunikation mit den Antragstellern und (3) bezüglich der Rückkopplung mit den Stadtverordneten.
Ich fange mal an bei dem demokratischen Prozess und meiner Anfrage, die heute auf der Tagesordnung steht.
Es ist ein starkes Stück, dass der Oberbürgermeister es sich erlaubt, eine Anfrage nach 19 Wochen Bearbeitungszeit durch eine Magistratsvorlage für beantwortet zu erklären. Ich wurde kurz vor Ablauf der Frist Mitte Dezember 2023 um Geduld gebeten da die Beantwortung noch etwas Zeit in Anspruch nehme. Das hat mich damals verwundert, denn ich konnte nicht erkennen, was da wochenlang recherchiert werden muss. Jetzt weiß ich, dass es um den Aufwand für die Erstellung der Magistratsvorlage ging.
Die Antworten auf viele meiner Fragen kann man sich tatsächlich aus der Vorlage halbwegs zusammenreimen. Ich hätte aber das Recht gehabt auf eine einigermaßen fristgerechte und präzise Antwort, die Sie aber nicht geben wollten, weil Sie damals noch keinen Plan für die Zukunft des Bürgerbudgets hatten und weil Sie die Versäumnisse des Magistrats nicht öffentlich aufarbeiten wollten.
Deshalb müssen wir jetzt in diesem Rahmen darüber reden, ich hoffe das ist Ihnen auch unangenehm.
Der Anlass für meine Anfrage an den Magistrat war die Sitzung des HFA im November. Ein Antragsteller für das Bürgerbudget hatte mir berichtet, dass er für seinen Antrag aus 2022 noch keine Rückmeldung bekommen habe. Ich fragte also im Ausschuss nach dem Grund für diese Verzögerung, und erfuhr zu meiner Überraschung, dass die Vergabe des Budgets wegen Unzufriedenheit mit der Jury
bis auf weiteres gestoppt worden sei. Eine Information der Stadtverordneten über die Aussetzung eines Stavo-Beschlusses sei nicht notwendig, das könne der Magistrat einfach so entscheiden. Diese selbstherrliche Haltung hat mich geärgert. Aus meiner Sicht hat der Magistrat uns in solchen Fällen aktiv zu informieren, zum Beispiel als Mitteilung des Magistrats im zuständigen Ausschuss. Vielleicht nehmen Sie diese Anregung mit in Ihre Dezernate.
Bei einer späteren Gelegenheit kam dann noch das Argument dazu, dass das Projekt mit einer Befristung bis Ende 2020 beschlossen worden sei. Das stimmt.
Allerdings sieht der Beschluss auch vor, dass zum Ende der Projektlaufzeit eine Evaluation erstellt wird, um auf dieser Grundlage über die Weiterführung zu entscheiden. Dass der Magistrat mitten in der Corona-Krise keine Ressourcen für diese Evaluation hatte, mache ich ihm nicht zum Vorwurf. Aber dann muss er die Evaluation nachholen, anstatt sein Versäumnis als Begründung zu nutzen, das Projekt selbstherrlich ohne Rückkopplung mit der Stavo einzustellen.
Im Übrigen glaube ich, dass der Magistrat selbst erst irgendwann 2023 bemerkt hat, dass das Bürgerbudget eigentlich keine Beschlussgrundlage mehr hat. Das würde erklären, warum die Agenda-Gruppe im September 2021 auf das zu diesem Zeitpunkt eigentlich schon ausgelaufene Bürgerbudget verwiesen wurde, warum das Bürgerbudget auch 2022 nochmals durchgeführt wurde, und warum sogar für 2023 noch die Ausschreibung auf die Website gesetzt wurde.
Jetzt komme ich zu Ihrem Umgang mit der Jury.
In der Sitzung des HFA, und weniger explizit auch in der Vorlage, wurde die Jury zum Sündenbock für das Scheitern der Vergabe im Jahr 2022 erklärt. Sie habe unzulässige Anträge behandelt und befürwortet, sie sei sehr unvollständig bei der Sitzung erschienen, und sie habe teilweise aus befangenen Antragstellern bestanden, die auch noch mit abgestimmt hätten.
Es war aber die Aufgabe des Büros der Bürgerbeauftragten, und liegt also in der Verantwortung des damaligen OB, dass die eingegangenen Vorschläge vor der Weitergabe an die Jury geprüft werden bezüglich Umsetzbarkeit, Gemeinwohl, Rechtskonformität und Folgekosten. Die Mitglieder der Jury sollen die so geprüften Vorschläge danach politisch bewerten. Deshalb ist es der Jury nicht vorzuwerfen, dass sie verwaltungstechnisch unzulässige Anträge bewilligt hat.
Die Arbeit der Jury wurde von der Bürgerbeauftragten eng begleitet. Das Büro hat eingeladen und war bei der Sitzung am 12.1.2023 dabei. Wenn drei Mitglieder nicht für eine Beschlussfassung ausreichen, dann hätte die Sitzung vertagt und für die Wiederholung nachdrücklicher eingeladen werden müssen. Und was das Abstimmungsverhalten betrifft so habe ich erfahren, dass das betreffende Jury-Mitglied sich bei dem eigenen Antrag enthalten habe. Es ist einigermaßen grotesk, wenn der Magistrat deshalb mit Verweis auf einen HGO-Paragrafen der Jury Befangenheit vorwirft.
Der Magistrat hat diese unglückliche Episode der Jury-Arbeit in der Folge offenbar zum Anlass genommen, das Verfahren ganz abzublasen. Was nicht vollständig gelungen ist, denn einem Teil der Antragsteller wurde ja versehentlich zugesagt. Der andere Teil wurde ein Jahr lang einfach gar nicht informiert, bis ich im HFA nachgefragt habe.
Mir wird aus der Vorlage nicht klar, warum der Magistrat das Bürgerbudget 2022 nach der verkorksten Jury-Sitzung nicht würdevoll abschließen konnte. Man hätte uns die acht Projekte, über die wir heute abstimmen, genausogut zeitnah im Anschluss an die Empfehlung der Jury, also vor gut einem Jahr, zum Beschluss vorlegen können.
Bei dieser Gelegenheit hätte der Magistrat, genau wie heute, auf die Schwierigkeiten des Verfahrens hingewiesen, und uns mitgeteilt, dass das Bürgerbudget für 2023 ausgesetzt wird. Danach wäre noch ein halbes Jahr geblieben, um die beschlossene Evaluation durchzuführen. Im vergangenen November hätten wir uns auf dieser Grundlage mit einem modifizierten Verfahren für das Bürgerbudget befassen können, das ggf. in den Haushalt aufgenommen worden wäre. So wäre das Bürgerbudget 2.0 aktuell schon wieder angelaufen.
Stattdessen haben Sie die Jury vor den Kopf gestoßen, die Antragsteller aufs Abstellgleis geschoben, und unnötigerweise eine mindestens zweijährige Unterbrechung des Bürgerbudgets herbeigeführt.
Ich kann nur sagen: Der Bürgerhaushalt ist leider in beiden Strängen ein Fall von „gut gemeint aber schlecht gemacht“.
Ich hoffe es gelingt dem Magistrat in seiner Denkpause, ein Konzept zu entwickeln, das vor allem für ihn selbst verständlich und umsetzbar ist, und das bei den Bürgerinnen und Bürgern nicht weiterhin die Frustration, sondern wieder das bürgerschaftliche Engagement fördert.
Wir werden uns bei der Vorlage enthalten.
Die Empfehlungen der Bürgerjury unterstützen wir natürlich, aber unsere Sichtweise auf das vorläufige Scheitern des Bürgerbudgets unterscheidet sich so grundlegend von der Schilderung des Magistrats, dass wir der gesamten Vorlage nicht zustimmen werden.