„Städtische Lohnpolitik und Vernachlässigung der freien Kultur machen den Haushalt inakzeptabel“

Rede am 14.12.2021 in der Debatte zum Haushalt 2021. Ich habe die Kritik an der Lohnpolitik der Stadt in den Mittelpunkt gestellt: Schluss mit der Niedriglohn-Gruppe 1 und Aufwertung der Erzieherinnen und Erzieher in die EG 8b. Außerdem sollen die Zuschüsse für die Freie Kultur, die seit Jahren unverändert sind, um 10% angehoben werden!

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

es ist erfreulich, dass die Stadt dank der Nachwirkung der Corona-Ausgleichszahlungen von 2020 für das kommende Jahr nicht zu einem Kürzungshaushalt verpflichtet ist.

Denn einen Kürzungshaushalt können wir uns absolut nicht leisten:

  • wir wollen eine Verkehrswende erreichen und klimaneutral werden
  • wir haben einiges nachzuholen bei der Digitalisierung der Stadtverwaltung und zur Realisierung des Onlinezugangsgesetzes
  • wir wollen die Betreuungsschlüssel bei der Kinderbetreuung erhalten und sehen dem Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung entgegen.
  • wir wollen keine unzumutbaren Wartezeiten mehr bei der Ausländerbehörde, in der Zulassungsstelle und anderswo.
  • wir haben in den nächsten Jahren einige Schulen neu zu bauen und
    viele Schulen klimagerecht zu sanieren.
  • Bezahlbarer Wohnraum entsteht nur mir öffentlicher Unterstützung. Wir müssen bei allen Neubebauungen möglichst viele geförderte Wohnungen schaffen, um wenigstens den Status quo zu halten.

Dafür brauchen wir zum einen mehr Personal. Hier zu kürzen, wie es die FDP vorschlägt, ist völlig fehl am Platze. Nein, es ist gut, dass dieser Haushalt eine Erweiterung der Stellen um 5% vorsieht. Wir stellen uns eher die Frage, ob das ausreichend ist. Jedenfalls hoffen wir, dass die neuen Stellen rasch besetzt werden können. Natürlich brauchen wir auch die Transferleistungen, die immer weiter steigen müssen weil immer mehr Menschen zu wenig Einkommen haben, um damit auszukommen.

Und zum anderen brauchen wir massive Investitionen. In Zeiten von Niedrigst-Zinsen darf Notwendiges keinesfalls am Geld scheitern. Die Planungen des Magistrats sind hier eher das untere Ende dessen, was wir für erforderlich halten.

Bei den Investitionen schauen wir besonders auf zwei Bereiche, die uns wichtig sind:

1.

Im geförderten Wohnungsbau werden nun mittelfristig die Gelder für 350 Wohnungen pro Jahr bereitgestellt, wenn man die 4 Millionen Euro aus der Rücklage der Bauverein AG mit einbezieht. Damit kann deutlich mehr gebaut werden als im Schnitt der vergangenen Jahre.

Insofern ist das vorgesehene Investitionsvolumen zu begrüßen. Wenn seit 10 Jahren mit dieser Schlagzahl Sozialwohnungen gebaut worden wären, dann wäre die Lage für Geringverdienende auf dem Darmstädter Wohnungsmarkt heute weniger kritisch.

Andererseits habe ich grob abgeschätzt, wie groß der Darmstädter Anteil sein müsste, um die 100.000 geförderten Wohnungen des Koalitionsvertrags der Ampel zu erreichen. Wenn man davon ausgeht, dass hierbei besonders die großstädtischen Verdichtungsräume und in diesen gerade die wachsenden Städte besonders gefordert sind, dann müsste unsere Zielmarke eher bei 500 Wohnungen liegen.

Darüber müssen wir im nächsten Jahr reden, wenn die Bundesregierung
eventuell neue Förderprogramme aufgelegt hat.

2.

Für den Klimaschutz an städtischen Gebäuden wurden Investitionsmittel in einem Umfang eingestellt mit dem tatsächlich etwas bewegt werden kann.
Wir wissen jedoch nicht, was bewegt werden soll, da ein „Sanierungsfahrplan“ noch nicht vorgelegt wurde. Deshalb ist für uns ist noch nicht absehbar, ob die Mittel ausreichen, um den städtischen Bestand
bis 2035 klimaneutral zu bekommen.

Wir sind allerdings verwundert, dass die Stadt keinerlei Ambitionen für einen genossenschaftlichen Ausbau der Solarenergie zeigt, obwohl die Energiegenossenschaft Darmstadt großes Interesse an einer Beteiligung geäußert hat.

Die Grünen haben in ihrem Programm formuliert: „Wir wollen Möglichkeiten für Bürger*innen schaffen, in Darmstadt in den Klimaschutz zu investieren. Dazu werden wir bürgerschaftliche Energiegenossenschaften […] stärken…“.

Ich frage mich, wer oder was hindert Sie daran, dies umzusetzen?

Jetzt komme ich zu unserer Kritik an dem vorgelegten Haushalt.

Es sind vor allem die städtische Lohnpolitik und die Vernachlässigung der freien Kultur, die ihn für uns inakzeptabel machen.

1.

Beim EAD, aber auch in der Kernverwaltung werden über 100 Reinigungskräfte immer noch nach der Engeltgruppe 1 bezahlt.

Das ist eine Niedriglohngruppe, die kaum über dem künftigen Mindestlohn liegt. In Darmstadt kann man von diesem Einkommen nicht leben – die so entlohnten städtischen Beschäftigten sind „Arm trotz Arbeit“, jetzt und erst recht im Alter.

Für uns haben auch Menschen, die nicht gut qualifiziert sind, ein Recht auf einen existenzsichernden Lohn, wenn sie acht Stunden pro Tag hart arbeiten. Deshalb fordert DIE LINKE den Ausstieg aus dieser Lohngruppe und die Höhergruppierung der Betroffenen.

Dazu stellen wir zwei Änderungsanträge, einen an den Stellenplan der Stadt und einen an den Wirtschaftsplan des EAD.

2.

Wir dachten, das Dauerthema Aufwertung der Erzieherinnen und Erzieher wird nun endlich von einer großen Mehrheit abgeräumt. Denn im Koalitionsvertrag ist ja die Höhergruppierung in die 8b für alle vereinbart. Leider hat die Diskussion im HFA gezeigt, dass dieses Versprechen unter Finanzierungsvorbehalt steht.

Hier hörten wir vorhin, dass Sie sich im kommenden Jahr damit befassen wollen. Schade dass Sie das nicht schon in den vergangenen 6 Monaten seit der Verabschiedung des Koalitionsvertrags getan haben.

Die Befürchtung bleibt trotzdem, dass das Thema auch im nächsten Jahr nicht angegangen wird. Denn wenn die Prognosen des Kämmerers zutreffen, dann wird das Geld künftig knapper sein, und Sie werden sich nochmal dazu entscheiden, diesen Schritt zu mehr Wertschätzung einer wichtigen Arbeit und zu mehr Geschlechtergerechtigkeit aufzuschieben.

Die Aufwertung der Erzieherinnen kostet 4 Millionen Euro pro Jahr. Das ist nicht wenig, aber das ist machbar, das ist wichtig, und das muss endlich passieren!

Wir stellen also wie jedes Jahr unseren Antrag, als Merkposten und als Motivation für die Koalition, die Aufwertung im nächsten Jahr selber einzubringen, damit wir gemeinsam zustimmen können.

3.

Wir haben uns die Entwicklung der Zuschüsse für die freie Kultur in den vergangenen fünf Jahren näher angeschaut. Die allermeisten Initiativen sollen im kommenden Jahr genausoviel Förderung erhalten wie 2018,
obwohl wir seitdem eine allgemeine Kostensteigerung von etwa 10 Prozent hatten.

Die Zuweisung an das Staatstheater ist im gleichen Zeitraum um 11 Prozent gestiegen.

Wir verstehen nicht, warum den Kulturinitiativen permanent reale Mittelkürzungen zugemutet werden, obwohl das Haushaltsvolumen Jahr für Jahr wächst. Das wird der wichtigen Rolle, die sie in unserer Stadtgesellschaft spielen, nicht gerecht.

Insbesondere in der Zeit nach den Corona-Beschränkungen muss die Kultur gestärkt werden: deshalb ist jetzt der richtige Zeitpunkt, den seit 2018 aufgelaufenen Inflationsverlust auszugleichen.

Und dazu müssen wir nicht nochmal einen Millionenbetrag in den laufenden Ausgaben beantragen. Es geht hier gerade mal um 75.000 Euro, die dann auf die Kulturinitiativen verteilt werden könnten.

Das ist wirklich ohne Weiteres leistbar!

Grundsätzlich möchte ich noch feststellen, dass die auskömmliche Finanzierung einer sozialen und ökologischen Entwicklung unserer Stadt weiterhin gefährdet ist durch die Schuldenbremse und durch die Weigerung auch der künftigen Bundesregierung Reichtum und Gewinne angemessen zu besteuern.

Denn wir leben im Moment noch von den Corona-Ausgleichszahlungen, die es in Zukunft wohl nicht mehr geben wird.

Es hätte uns ein wenig Luft verschafft, wenn die Aussetzung der Schuldenbremse durch das hessische Sondervermögen zeitlich hätte gestreckt werden können, so wie es die Landesregierung geplant hatte.

Durch die Initiative der SPD und der FDP im Landtag ist das nun unmöglich. Das wird mit Sicherheit auch den Kommunen Schmerzen bereiten.

Wenn wir auf diesem Haushalt 2022 aufbauen wollen anstatt das Erreichte demnächst wieder abzubauen, dann müssen die Parteien, die in verschiedenen Konstellationen im Land und im Bund regieren, endlich zu einer nachhaltigen Steuer- und Finanzpolitik finden.

Die finanziellen Zwänge, die in den nächsten Jahren mutmaßlich auf uns zukommen, sind keine Naturgesetze, sondern sie werden von den Parteien gemacht, denen die meisten hier in diesem Haus angehören.

Daran werden wir Sie erinnern, wenn es in Zukunft heißt,
dieses oder jenes wäre gut und wichtig, aber es ist kein Geld da.