Zu den Ausschreitungen am 3.6. im Herrngarten

Vor zwei Wochen entwickelten sich nach dem Schlossgrabenfest-Samstag (am 3.6.2018) im Herrngarten nächtliche Ausschreitungen von Jugendlichen gegen die Polizei. Auf Grundlage des Zeugenberichts eines Unbeteiligten hatte ich auf Facebook den Polizeieinsatz kritisiert. Dies führte erwartungsgemäß zu vielen Wortmeldungen von Bürgerinnen und Bürgern, die grundsätzlich keine Kritik an der Polizei akzeptieren wollen. Es gab aber auch viel Zustimmung und ich bekam noch weitere Schilderungen des Verhaltens und der Vorgehensweise der Polizei. Einige der Zeugen kenne ich persönlich, mit einem anderen habe ich länger telefoniert. Daraus habe ich ein lesenswertes Dokument mit Erfahrungsberichten vom Polizeieinsatz beim Schlossgrabenfest zusammengestellt.

Natürlich muss die Polizei für Sicherheit sorgen, sich gegen Angriffe erwehren und Gewalttäter ermitteln und festnehmen. Dafür gebührt den Beamtinnen und Beamten unser Dank. Aber dabei hat sie sich gegenüber Unbeteiligten korrekt und nach Recht und Gesetz zu verhalten. Auch in einer Situation wie am 3.6. im Herrngarten muss die Unschuldsvermutung gelten!

Geschildert wird aggressives Verhalten der Polizeikräfte gegenüber Unbeteiligten, die sich teilweise unbeabsichtigt, teilweise als interessierte Beobachter in der Nähe des Geschehens aufhielten. Folgendes wird berichtet:

  • einige Polizeibeamtinnen und -beamten begegnete friedlichen Festbesuchern ruppig und mit Gewaltandrohung, um den Herrngarten zu räumen. Es wird aber auch von freundlichen oder zumindest angemessen auftretenden Polizeikräften berichtet.
  • es wurden wahllos Besucherinnnen und Besucher in einem Polizeikessel eingepfercht, auch dann noch, als die Krawalle längst vorbei waren. Auch Menschen, die aus einer ganz anderen Richtung kamen, wurden darin festgesetzt.
  • die ca. 40 Menschen im Kessel haben stundenlang nicht erfahren, warum sie festgehalten werden. Sie bekamen kein Wasser zu trinken. Viele waren verängstigt, manche weinten, aber die Polizei kümmerte sich nicht darum.
  • Gegen 9 Uhr morgens durften sie nach Hause gehen. Die Personalien von allen wurden aufgenommen. Die Handys wurden gesetzwidrig eingezogen und waren auch am 17.6. noch nicht wieder alle bei ihren Eigentümern.
  • Ich habe einen Zeugenbericht über einen Hundebiss bekommen. Der Geschädigte bekam keinerlei Hilfe von den Polizeikräften, die den Biss zu verantworten hatten. Die Medien berichten von etwa 10 Menschen, die von Polizeihunden gebissen wurden. Die Hunde hatten also keinen Beißkorb angelegt, obwohl der scharfe Einsatz von Diensthunden laut Waffengebrauchsgesetz nur bei konkretem, dringendem Verdacht auf gravierende Straftaten erlaubt ist.

Ich habe keine verlässlichen Bericht in Erfahrung gebracht, was die Gewalttätigkeiten ausgelöst hat. Es hatte wohl schon den ganzen Abend eine aggressive Grundstimmung über dem Herrngarten gelegen. Klar ist, dass es eine größere (wohl spontan entstandene) Party gab, die die Polizei eigentlich auflösen wollte, dies aber zunächst nicht durchzusetzen versuchte. Dann entstand an anderer Stelle eine Schlägerei zwischen zwei Personen, in die eine Streife eingriff. Diese Situation eskalierte dann in die Krawalle, an denen nach Schätzung eines Augenzeugen etwa 50 sehr junge Personen beteiligt waren. Die Angaben von 200-300 Beteiligten seien viel zu hoch gegriffen. Ich hoffe, dass bei den Gerichtsverhandlungen weitere Informationen zu Tage kommen, die helfen zu verstehen, wie es zu der Eskalation gekommen ist.

Es bleibt festzuhalten, zu fragen und und zu kritisieren:

  • Eine größere Anzahl offensichtlich unbeteiligter Menschen wurde eingekesselt oder anderweitig festgesetzt. Zumindest ein Teil von ihnen wird immer noch der Beteiligung an den Ausschreitungen verdächtigt. Ich bin mir sicher, dass die meisten der 103 von der Polizei angezeigten Personen (Stand 15.6.) sich als Unbeteiligte herausstellen werden. Menschen, die nicht an der Randale beteiligt waren, wurden bedroht und eingeschüchtert, einige haben sogar körperliche Gewalt erfahren (Hundebisse!), und Eingekesselte wurden nicht informiert und nicht versorgt. Gerade wenn klar ist, dass durch die äußeren Umstände und durch polizeiliche Vorgehensweise viele Unbeteiligte von den Maßnahmen betroffen sind, darf das nicht passieren.
  • Der Polizei war es offenbar nicht gelungen, die Täter bei der Ausführung der Krawalle selbst zu überwältigen oder einzukesseln. Stattdessen setzte sie sehr viele Menschen fest, die räumlich und zeitlich gar nicht an den Ausschreitungen beteiligt sein konnten. Wollte man durch diese fragwürdige Taktik vermeiden, in der Öffentlichkeit mit leeren Händen dazustehen? Wollte man möglichst viele Personalien aufnehmen, in der Hoffnung, einige später auf den Filmaufnahmen wieder zu erkennen? Wollte man Bildmaterial auf möglichst vielen Handys sicherstellen? Das wären keine akzeptable Gründe für diese Vorgehensweise. Sie reiht sich ein in die Tendenz, zur Herstellung von Sicherheit den staatlichen Zugriff vorbeugend auf alle Bürgerinnen und Bürger auszuweiten (Vorratsdatenspeicherung, Videoüberwachung des öffentlichen Raums) und die Befugnisse für die Polizei immer weiter auszudehnen (neue Polizeigesetze).
  • Das Schlossgrabenfest ist zu groß geworden für die Darmstädter Innenstadt, und die neu eingeführte Eintrittsregelung am Abend sorgt zusätzlich für aggressive Stimmung am Rande des Geländes.