Stadionumbau: „Nach fünf Jahren zurück auf Start“

Artikel in unserer Fraktionszeitung “Darmstadt links” (Sommer 2017)

Ich bin sehr zufrieden, dass unser Böllenfalltorstadion nun doch erhalten bleiben soll, und zwar auf Grundlage der bisherigen kultig-altmodischen Anlage mit vielen Stehplätzen anstatt als Multifunktions-Betonschachtel.

Dieses neue alte Bölle wäre vielleicht schon fertig, wenn die grün-schwarze Koalition nicht in jede sich bietende Sackgasse gerannt wäre. Man hätte vorher wissen müssen, dass eine Multifunktionsarena baurechtlich kaum durchsetzbar ist. Dazu hat die Stadt erstens eigene Experten, die womöglich gar nicht gefragt wurden. Zweitens war 2012 für 60.000 Euro (!) eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben worden. Die war jedoch zu dem falschen Ergebnis gekommen, dass ein multifunktionaler Neubau am alten Ort baurechtlich möglich sei. Waren da Dilettanten am Werk, oder hatten die Autoren den Auftrag, die Lieblingslösung der Auftraggeber zu propagieren? „In solchen Verfahren werden Fehler gemacht“, wurde vorgestern OB Jochen Partsch zitiert. Nein, es wurden auf fast schon mutwillige Weise grundlegende Fehlentscheidungen getroffen.

Um das zu Rekapitulieren habe ich mein Pressearchiv durchgesehen:

2013, nach dem Erscheinen der „Expertise“, hält der Magistrat die Stadionfrage für geklärt. Sämtliche Alternativstandorte werden (zu meiner Zufriedenheit) ausgeschlossen. In der September-StaVo streitet man – ohne Beschluss – über die Frage, ob es ein Fußballstadion bleiben oder eine Multifunktionsarena werden soll.

2014 gründet die Stadt die Stadiongesellschaft, das Land sagt einen Zuschuss von 14 Mio Euro zu, und die Lilien steigen in die zweite Liga auf.

2015 beschließt die StaVo die Weiterentwicklung des Multifunktions-Konzepts, und es wird ein Bebauungsplan vorgelegt, was bei einer reinen Ertüchtigung der bestehenden Stätte nicht notwendig gewesen wäre. Die damit zwangsläufig verbundene Bürgerbeteiligung beginnt, und die Lilien schaffen den unglaublichsten Bundesliga-Aufstieg aller Zeiten. Als Termin für den Abschluss der Bauarbeiten nennt Partsch „spätestens 2018“. Voller Optimismus mischen sich nun auch die Fans ein und fordern ein Konzept mit möglichst vielen Stehplätzen, was auch zugesagt wird.

Anfang 2016 muss die Stadt einräumen, dass alles länger dauern wird und sogar ein Fertigstellungstermin in 2019  sehr optimistisch ist. Der Anwohner(lärm)schutz und die Parkraumbereitstellung erweisen sich als Einfallstor für absehbare Klagen, die das Projekt verzögern oder sogar stoppen könnten. Währenddessen werben die Grünen im Wahlkampf mit ihrer Fähigkeit, ein Stadion zu bauen. Im Mai ist dann aber das Ende der Sackgasse in Sicht, denn die TU will jede Einschränkung durch den Spielbetrieb vermeiden und verweigert die Kooperation bezüglich der Parkplätze. Im Juli 2016 wird die Bauleitplanung gestoppt. Die Lilien haben unterdessen ihr erstes Bundesliga-Jahr erfolgreich hinter sich gebracht.

Fast vier Jahre nach Planungsbeginn steht das Projekt nun wieder am Anfang. Der Magistrat steuert die nächste Sackgasse an und geht nochmals auf die Suche nach Alternativstandorten. Der OB-Wahlkampf beginnt. Als fragwürdiges Weihnachtsgeschenk für die Fans benennt die Stadt vier Alternativstandorte, die aber allesamt offensichtlich untauglich sind. Schon drei Monate später sieht der amtierende OB das ein und gibt beim Wahlpodium des Echo bekannt, dass nun doch der alte Standort am besten geeignet sei. Nach dem ehrenvollen Abstieg der Lilien setzt die DFL, die mich ansonsten mit ihren Anforderungen gewaltig nervt, ein Ultimatum für einen „Masterplan“. Die Gefahr, eventuell in Offenbach spielen zu müssen, macht der Stadt Beine. Und nun soll also das gemacht werden, das mir von Anfang an am sympatischsten war: Umbau im Bestand bei laufendem Spielbetrieb. Das ist natürlich nicht ohne Risiko, dass der Untergrund der Gegengerade und andere Eigenheiten unseres Charakterstadions technische und finanzielle Schwierigkeiten machen.

Ich bin sehr gespannt, ob die Ertüchtigung am Ende tatsächlich ähnlich teuer wird wie ein Neubau. Wurde das ernsthaft geprüft, oder mit zweckpessimistischer Absicht einfach mal aus dem Handgelenk heraus behauptet?

So, genug geknoddert. In drei Wochen beginn die neue Saison, in der wir die unüberdachte komplett stehplatzige Gegengerade, die provisorischen Stahltribünen und die ganze Aus-der-Zeit-Gefallenheit unseres herrlichen Stadions nochmal richtig genießen dürfen.