Artikel in unserer Fraktionszeitung “Darmstadt links” (Sommer 2017)
Mitte Mai musste Kämmerer Schellenberg ein Haushaltsloch von 50 Mio Euro vermelden. Grund war eine dicke Steuerrückforderung von Merck. Man muss nicht spekulieren, ob der Kämmerer das vorher wusste und dieses Wissen zwecks Wahlkampfunterstützung für Jochen Partsch zurückgehalten hat. Man kann aber jedenfalls annehmen, dass er die außergewöhnlich hohen Steuererträge in 2016 sehr gerne ins darauffolgende Wahlkampfjahr fortgeschrieben hat. Nun haben wir den Salat.
Die Darmstädter Finanzkrise bringt einige Investitionen und Großprojekte ins Wanken. Die Landesgartenschau hat die Koalition von sich aus aufgegeben, die Lichtwiesenbahn wurde vorerst von der Opposition ausgebremst. Wir werden uns außerdem für die Abplanung einiger kleinerer Maßnahmen wie z.B. der fragwürdigen Schönheits-OP für den Karolinenplatz einsetzen. Auch die Bewerbung für das Weltkulturerbe, die im Erfolgsfall große Folgekosten und Belastungen für die Bürger/innen mit sich bringt, sollte aus unserer Sicht gestoppt werden. Doch der Stopp verzichtbarer Investitionen trägt nur wenig zum Ausgleich des Ergebnishaushalts (laufende Einnahmen vs. Ausgaben) bei, zu dem die Stadt durch Schuldenbremse und Rettungsschirm verpflichtet ist.
Andere Oppositionsfraktionen haben in der Stadtverordnetenversammlung dem grün-schwarzen Magistrat vorgeworfen, dass er nicht früher an die massive Kürzung der laufenden Ausgaben herangegangen ist. Sicherlich lässt sich der eine oder andere verzichtbare Ausgabeposten finden. Doch wir sehen keinen Spielraum für Ausgabenkürzungen in zweistelliger Millionenhöhe. Darmstadt ist mit enormem Wachstum konfrontiert, die Personaldecke ist bereits ausgedünnt und die Armut und damit der Bedarf an Transferleistungen wächst. Ein millionenschweres Kürzungsprogramm würde der Stadt, ihren Beschäftigten und ihren Bewohnern schweren Schaden zufügen. Auf der To-do-Liste des Magistrats stehen offenbar die Erhöhung der Kita-Gebühren, die Kürzung der Zuschüsse an Vereine und Kulturinitiativen und die Nichtbesetzung von mindestens 20 freiwerdenden Stellen. Das Sozialticket wurde von OB Partsch bereits vor seiner Einführung kassiert. Solche Kürzungen wären vor fünf Jahren genauso schlecht gewesen für den sozialen Ausgleich und die bürgerschaftliche Initiative, wie sie es heute sind. Gut getan hätte es der Stadt hingegen, wenn die nun endlich erfolgte Erhöhung der Gewerbesteuer – wie schon lange von uns gefordert – auf das Niveau anderer hessischer Großstädte früher beschlossen worden wäre. Mit den Zusatzeinnahmen aus fünf Jahren hätte der heutige Fehlbetrag ohne weitere Maßnahmen abgedeckt werden können!
Hätten die Unternehmen wegen einer um 6% höheren Gewerbesteuerlast ihre Zelte abgebrochen und wären von der prosperierenden Großstadt aufs Land abgewandert? Wohl kaum. In Frankfurt, Kassel oder Wiesbaden, wo die Hebesätze schon lange so hoch sind wie jetzt bei uns, haben sie es ja auch nicht getan.
Die Ertragslage bei der Gewerbesteuer ist in Darmstadt wechselhafter als in anderen Städten. Der unsinnige Zwang des „Rettungsschirms“, in jedem einzelnen Jahr den Haushalt auszugleichen, führt nun zu hektischen Reaktionen, die viele Unsicherheiten schaffen und innerhalb wie außerhalb der Verwaltung produktive Arbeit lahm legen. Es wäre mit Sicherheit effizienter, den Einnahmenausfall kurzfristig durch (zur Zeit günstige!) Kredite zu überbrücken und nötigenfalls den Haushalt mit ruhiger Hand an die längerfristige Entwicklung der Einnahmen anzupassen.
Das Grundproblem sind zu geringe Einnahmen, nicht zu hohe Ausgaben. Allgemein werden die Kommunen im Zuge des neoliberalen Umbaus der Gesellschaft seit vielen Jahren durch Entscheidungen der Bundes- und Landesebene finanziell immer stärker ausgetrocknet. Schritt für Schritt, Krise für Krise, sollen sie soziale und kulturelle Leistungen kürzen, Personal abbauen und öffentliches Eigentum privatisieren. Die Bundesregierung hat den Spitzensatz der Einkommensteuer gesenkt, die Landesregierung hat den kommunale Finanzausgleich verschlechtert. Neue Pflichtaufgaben werden nicht ausreichend gegenfinanziert und der Anstieg der Sozialausgaben wird nicht kompensiert. Unter diesen Bedingungen ist eine soziale Politik und die Erhaltung der öffentlichen Infrastruktur kaum noch möglich. Doch diese Rahmenbedingungen sind kein Naturgesetz. Sie wurden in Wiesbaden und Berlin von genau den Parteien geschaffen, deren Kommunalfraktionen jetzt mit dicken Krokodilstränen die „Sachzwänge“ beklagen.
Wir wollen, dass die Kommunen Druck machen für ein kommunalfreundlicheres Steuersystem und insbesondere für eine Vermögenssteuer. Darmstadt muss über die Gewerbesteuerumlage 25 Mio Euro an das Land Hessen und an den Bund abführen. Diese Umlage sollte abgeschafft werden. Weitergehend sollte die Gewerbesteuer durch eine Gemeindewirtschaftssteuer ersetzt werden, die auch gut verdienende Freiberufler und Selbständige mit einbezieht.
Nur die Reichen können sich eine arme Stadt leisten. Deshalb kämpfen wir für mehr Geld für die Kommunen. Haushaltskürzungen zu Lasten des sozialen Ausgleichs, der Bildung, der Kultur, des bürgerschaftlichen Engagements oder der städtischen Beschäftigten werden wir nicht mitmachen. Das müssen diejenigen verantworten, deren Parteien die Kommunen auf Hungerkost gesetzt haben.