Rede zur Waffenverbotszone (Vorlage 2025/0081) und zur Gefahrenabwehrverordnung (Vorlage 2025/0080)
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
als Philip Krämer im letzten März die Debatte um eine Waffenverbotszone eröffnete, erwiderte der Ordnungsdezernent noch, dass diese erst dann eingeführt werden dürfe, wenn vermehrt mit Waffen Straftaten begangen werden.
Trotzdem hat der Magistrat nun diese Maßnahme verfügt, über die wir nicht einmal abstimmen können.
Was hat sich geändert, damit eine Waffenverbotszone nun doch sinnvoll sein soll? Es gibt eine neue gesetzliche Regelung, die das formal ermöglicht, aber ist es auch in der Sache sinnvoll?
In der Tat wurden in Darmstadt 2023 etwas mehr Straftaten verübt als 2022, und es wurden mehr Waffen gefunden als zuvor. Aber der Anstieg der Straftaten traf vor allem Diebstähle und andere Delikte ohne Waffeneinsatz. Und 2024 gingen die Fallzahlen sogar wieder zurück. Gerade die Körperverletzungsdelikte, um die es bei einer Waffenverbotszone geht, verringerten sich um über 10 Prozent. Auf dem Luisenplatz geschahen 15 Körperverletzungen mit Waffeneinsatz, wobei auch Verteidigungswaffen wie Pfefferspray eingeschlossen sind. Das ist nur ein kleiner Bruchteil aller Delikte in der Stadt.
Und: die schlimmste Gewalttat auf dem Luisenplatz der letzten Jahre, nämlich der Mord an einem Obdachlosen, wurde ohne Waffen durchgeführt.
Die Fallzahlen geben eine Waffenverbotszone aus unserer Sicht weiterhin nicht her. Es ist die politische Stimmung, die sich verändert hat, aber nicht die Tatsachen.
Es wird auch argumentiert, dass mehr Waffen gefunden worden seien.
Aber das ist doch auch nicht verwunderlich, wenn im Rahmen der Innenstadtoffensive systematisch kontrolliert wird. Und es sind doch auch nicht nur Offensiv-Waffen, die man bei den Kontrollen findet, sondern eher Pfefferspray oder Taschenmesser, die zur Verteidigung oder zu ganz anderen Zwecken dienen sollen.
Am 22. April hat die Polizei zehn Busse und Straßenbahnen aufgehalten, um die Fahrgäste zu filzen. Die Betroffenen wurden ihrer Bewegungsfreiheit beraubt, sie kamen vielleicht zu spät zur Arbeit oder versäumten Termine. Ich wäre damit nicht einverstanden gewesen. Das Ergebnis dieser rund 350 Personenkontrollen: 3 Taschenmesser.
Liebe KuK, das ist kein Erfolg, sondern ein Beweis, dass solche Razzien nicht geeignet sind, um schwere Gewalttaten zu verhindern. Sie sind eine aktionistische Schikane!
Es handelt sich um reine Symbolpolitik, die sogar geeignet ist, das Unsicherheitsgefühl zu verstärken anstatt es zu verringern.
Doch eine Waffenverbotszone in unserer Innenstadt ist nicht nur überzogen, sondern sie kann auch Schaden anrichten.
Wir sollten davon ausgehen, dass junge Menschen mit erkennbarem Migrationshintergrund von den verdachtsunabhängigen Kontrollen überdurchschnittlich betroffen sein werden. Hier wirken sich gesellschaftliche Zuschreibungen aus, selbst wenn die Ordnungskräfte gar keine bewussten Vorurteile haben. Es gibt zahlreiche Studien und Erfahrungsberichte,die dies bestätigen. In Wiesbaden wendet sich der Ausländerbeirat genau aus diesem Grund gegen die dortige Waffenverbotszone.
Diese Maßnahme schadet dem gesellschaftlichen Zusammenhalt, den der Magistrat ja eigentlich stärken will in unserer Stadt.
Aus all diesen Gründen missbilligen wir die Einführung der Waffenverbotszone, und wir hätten gerne die Möglichkeit gehabt, auch dagegen zu stimmen.
Ich komme zur Gefahrenabwehrverordnung, und fange mit der neuen Benennung an.
Es stimmt, dass „Präventionskonvention“ kein passender Name für eine Sammlung repressiver Maßnahmen ist. Aber sie dient auch nicht zur „Gefahrenabwehr“, denn bettelnde Menschen oder alkoholisierte Personen im Wartehäuschen mögen ein Ärgernis sein, eine Gefahr sind sie üblicherweise nicht und sollten auch nicht als solche bezeichnet werden. Wir lehnen deshalb die vorgeschlagene Umbenennung des Dokuments ab.
Zweitens sind wir irritiert über die einzige vorgesehene Sanktion für die verschiedenen Ordnungswidrigkeiten, nämlich eine Geldstrafe von bis zu 5.000 Euro. Das ist das gleiche Thema wie das erhöhte Beförderungsentgelt, über das wir hier im letzten Jahr diskutiert hatten. Wenn diese Sanktion unabhängig von der Leistbarkeit verhängt wird, ist das in vielen Fällen sinnlos, sozial kontraproduktiv und kann sogar zu Ersatzfreiheitsstrafen führen, wenn die Stadt nicht locker lässt.
Angemessen wäre ein Platzverweis für Personen, die die öffentliche Ordnung gravierend stören, gerade in Bezug auf die beiden Bereiche, in denen die Änderungen heute vorgenommen werden sollen.
Was das Betteln betrifft, verstehen wir nicht, warum es nicht ausreichen soll, wie bisher „nachdrückliche und hartnäckige“ Praktiken zu untersagen. Soll künftig jeder, der Passanten dezent um einen Euro bittet, eine Geldstrafe aufgebrummt bekommen? Ich glaube, das wollen Sie gar nicht ernsthaft, sondern es geht auch hier um Symbolpolitik.
Selbstverständlich sollen die Fahrgäste auf dem Luisenplatz die Wartehäuschen nutzen können, ohne sich unwohl zu fühlen oder bedrängt zu werden. Der in der Begründung beschriebene Nutzungskonflikt ist deshalb in der Tat ein Problem.
In der Präambel der Verordnung ist zu lesen, dass sozialpolitische Maßnahmen eine hohe Bedeutung hätten. Deshalb frage ich: Wurde versucht, das Problem mit aufsuchender Sozialarbeit anzugehen? Gibt es ausreichend überdachte Aufenthalts-Alternativen für diejenigen, die kein Zuhause haben oder die sich den Konsum in einem Lokal nicht leisten können? Das muss mitgedacht werden, wenn Sie das Problem mit den Wartehäuschen lösen wollen. Das wäre ein gutes Beispiel für Prävention, über die meine Vorrednerinnen und Vorredner angesprochen haben.
Auch die Menschen, die sich dort zu anderen Zwecken aufhalten, sind Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt mit ihren eigenen Bedürfnissen und dürfen nicht einfach nur vertrieben werden!
Die vorgeschlagenen Änderungen sind unnötig und sozialpolitisch fragwürdig. Deshalb lehnen wir die Vorlage ab.