„Die geplante Hochrüstung wird den Kommunen noch mehr Mittel rauben“

Rede in der Haushaltsdebatte in der Stavo am 03.04.2025

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich möchte meinen Beitrag mit einer Einordnung unserer schwierigen finanziellen Situation in die allgemeine politische Lage beginnen.

Der heute zu beschließende Doppelhaushalt ist auch nach der Überarbeitung noch schlimmer in den roten Zahlen als der vorige. Ähnlich geht es der großen Mehrzahl der Städte und Gemeinden. Unlängst hat der Städtetag vor einer „katastrophalen Lage“ gewarnt.

Die allgemeinen Ursachen sind schon lange bekannt: Die Zuweisungen und Steuereinnahmen haben nicht mit den wachsenden Aufgaben Schritt gehalten. Insbesondere weigern sich das Land Hessen und der Bund, die Kosten der bestellten Leistungen vollständig zu übernehmen. Sogar gesetzliche Pflichten werden nicht erfüllt, wie beispielsweise bei der Finanzierung der Krankenhäuser.

In den 2010er-Jahren wurde dieses Problem noch durch die gute Wirtschaftsentwicklung verdeckt. Das war das Glück der grün-schwarzen Koalition: sie konnte ihre ausgeglichenen Haushalte stolz als die Früchte ihrer Konsolidierungsbemühungen verkaufen. Diese Zeiten sind vorbei. Seit Corona stagniert die Wirtschaft, und damit auch das Steueraufkommen, während die Kosten immer weiter ansteigen.

Über die Unterfinanzierung der Kommunen, über die Verletzung des Konnexitätsprinzips, und über die problematische Konzeption der kommunalen Steuern beklagen sich die Kommunalpolitiker der meisten Parteien. Aber die Abgeordneten dieser Parteien nehmen die Kritik nicht ernsthaft mit nach Wiesbaden oder Berlin. Offenbar wollen oder können sie die Bedürfnisse der Kommunen nicht gegen die Interessen der Konzerne und der Vermögenden in diesem Land durchsetzen. Denn notwendig wäre die Einführung einer Vermögenssteuer, eine stärkere Besteuerung von Konzerngewinnen und hohen Einkommen und weitere Maßnahmen zur Umverteilung von oben nach unten.

Es zeigt sich eine Handlungsunfähigkeit der Politik, die bei vielen Menschen den Glauben an die Demokratie erodieren lässt.

Wir haben es diesmal sein gelassen, Haushaltsanträge zu stellen, was wir üblicherweise tun, um auf Mängel hinzuweisen und um Forderungen zu hinterlegen. Aber wenn alle Welt nur darüber redet, wie man einen hochdefizitären Haushalt genehmigt bekommt, dann gibt es für neue Ideen und Vorschläge keinen Resonanzboden mehr.

Wenn das so bleibt, frage ich mich wie wir uns und andere für die Kommunalpolitik gewinnen und begeistern wollen.

Es gibt wenig Grund zur Hoffnung, dass für die Kommunen irgend etwas zum Besseren gewendet wird. Die beängstigenden Entwicklungen der internationalen Politik haben sich in den letzten Monaten nochmals zugespitzt.

Wir erleben gerade, wie die außenpolitischen Entscheidungen in den Kommunen und damit im Alltagsleben der Menschen ankommen.

Sowohl die wirtschaftliche Stagnation in Deutschland als auch die steigenden Ausgaben der Kommunen sind eine Folge des Kriegs in der Ukraine und der Sanktionen gegen Russland, die sich auch gegen uns gewendet haben.

Dieser Krieg ist nicht einfach von außen auf uns zugekommen: Er ist ein Stellvertreterkrieg, der vermeidbar gewesen wäre, wenn man es in Deutschland und in den EU-Staaten gewollt hätte.

Und nun hat sich die große Mehrheit der Parteien dafür entschieden, unsere gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ressourcen zu verwenden, um die geopolitischen Machtkämpfe weiter zu eskalieren, anstatt sie zu begrenzen. Es wird ein beispielloses Rüstungsprogramm in Gang gesetzt, das uns nicht nur in Richtung eines großen Kriegs schlittern lässt. Die geplante Hochrüstung wird den Kommunen noch mehr Mittel rauben, die eigentlich benötigt werden für die Herstellung von sozialem Zusammenhalt, für die Bildung, für den Umbau der Verkehrs- und die Energieinfrastruktur und für Klimaschutz und Klimaanpassung.

Das Infrastrukturpaket mag hier punktuell Entlastung bringen, aber der Kämmerer hat im HFA unsere Befürchtung geteilt, dass davon nicht sehr viel unten ankommen wird für die anstehenden Projekte.

Der Aufbruch in eine Kriegswirtschaft, für den sich die Mehrheit der Parteien leider entschieden hat, wird einschneidende Folgen haben für die Gestaltungsmöglichkeiten und für die Integrationsfähigkeit der Kommunen.

Und ohne diese wird auch die lokale Demokratie verkümmern, da wird ein Büro für Demokratie und sozialen Zusammenhalt wenig helfen.

Diese Politik und als deren Resultat auch unser Haushalt bietet der Mehrheit der Menschen in unserem Land und in unserer Stadt, keine Perspektiven für eine gute Zukunft.

Schon deshalb werden wir ihn ablehnen!

Jetzt will ich konkret auf den vorliegenden Haushaltsentwurf zu sprechen kommen.

Im November fehlten noch 100 Millionen Euro. Der Magistrat kündigte an, dieses immense Defizit ohne größere Einschnitte auszugleichen. Wir waren erstaunt über diese Ankündigung, denn immerhin geht es um 10% des Volumens. Die Lösung hat sich dann doch als trivial erwiesen:

Erstens hat sich die Schätzung der Steuereinnahmen seit der Hiobsbotschaft im November um insgesamt 12 Mio verbessert.

Zweitens bedient sich die Stadt mehr als geplant bei ihren Unternehmen und lässt diese zusätzlich 10 Mio ausschütten.

Drittens wird eine rein haushaltstechnische Methode verwendet, um Kürzungen durchzuführen, ohne einzelnen Empfängern etwas wegzunehmen: Man streicht pauschal Ausgabenreste, die erfahrungsgemäß im Haushaltsvollzug anfallen werden, diesmal einfach vorab aus dem Zahlenwerk heraus. Reserven für Unerwartetes bleiben dabei allerdings keine.

Auf diese Weise trägt die globale Minderausgabe das Defizit um 30 Mio Euro ab, die Personalbewirtschaftungsreserve leistet einen Beitrag von 6 Mio Euro und die dauerhafte Streichung von 10% der freiwilligen Zuschüsse anstelle einer entsprechenden Haushaltssperre kommt auf knapp 2 Mio Euro.

Auf diese Weise ließen sich 60 von den 100 Mio Euro wegdiskutieren. Es blieb also noch ein Haushaltsloch von 40 Mio Euro übrig.

Um dieses Defizit abzubauen hätte man dann wirklich mit dem Kahlschlag beginnen müssen. Aber das wollte das Land unserer Stadt und den vielen anderen Kommunen zumindest diesmal nicht zumuten.

Deshalb hat die Landesregierung darauf verzichtet, die Schuldenbremse durchzusetzen. Sie toleriert einen Fehlbetrag im Ausmaß von 36 Mio Euro. Das kritisieren wir natürlich nicht, aber wir stellen fest, dass die Ideologie der Schuldenbremse praktisch auf allen Ebenen gescheitert ist. Sie wird dennoch nicht abgeschafft, weil man ja nicht Unrecht gehabt haben will. Außerdem ist anzunehmen, dass sie bei nächster Gelegenheit wieder für die Durchsetzung von Kürzungen zum Einsatz kommen soll.

Weiterhin hat die Landesregierung der Stadt zugestanden, die Abzahlung des Hessenkasse-Kredits in Höhe von gut 4 Mio Euro auf bessere Zeiten zu verschieben.

Diese beiden Erleichterungen summieren sich auf die fehlenden 40 Mio Euro. Damit wäre das Problem schon gelöst – oder besser: in die Zukunft verschoben – gewesen, wenn es nicht neben den Steuerverbesserungen auch nachträgliche Ausgabensteigerungen gegeben hätte.

Am Ende musste doch noch ein einstelliger Mio-Betrag durch Kürzungen und Preiserhöhungen hereingeschafft werden.

Eine schmerzhafte Maßnahme im sozialen Bereich ist die Anhebung der Elterngebühren für Kita und Schülerbetreuung. Dabei müsste eigentlich – soweit ich weiß nicht nur aus unserer Sicht – eine kostenlose Kinderbetreuung auf der Tagesordnung stehen!

Nicht zukunftsfähig ist die deutliche Reduzierung der Mittel für den Klimaschutz.

Abgesehen von diesen Kürzungen, mit denen wir nicht einverstanden sind, haben wir an der geschilderten Vorgehensweise nichts auszusetzen. Alles ist gut, was einen größeren Kahlschlag bei Sozialem, bei Bildung, Kultur und Sport und was Preiserhöhungen für kommunale Leistungen vermeidet.

Kritik haben wir vielmehr am Magistrat der grün-schwarzen Koalition zwischen 2010 und 2020, der seine Konsolidierungsprogramme selbstzufrieden als Grundlage für die künftige Handlungsfähigkeit der Stadt angepriesen hat. Dabei hat er aber das Wichtigste versäumt.

Im vorliegenden Haushaltssicherungskonzept sind 11 Maßnahmen aufgezählt die mit Digitalisierung in der Verwaltung zu tun haben. Etwa die Hälfte davon scheinen geeignet, mittelfristig erheblich Kosten zu sparen, die Leistung zu verbessern oder beides zusammen.

Wir haben wiederholt kritisiert, dass die Digitalstadt GmbH in ihrer Ausgestaltung als Prestige-Projekt viel Geld verschlingt und wenig Nutzen entfaltet, während sie die Digitalisierung der Verwaltung vernachlässigt.

Wenn der Magistrat damals die Zeit und das Geld genutzt hätte, um die heute vorgeschlagenen Maßnahmen umzusetzen, dann stünden wir jetzt strukturell um einige Millionen Euro besser da, da bin ich mir sicher.

Insofern begrüßen wir die geplante Erdung der Digitalstadt GmbH und den „Digitalisierungsturbo“ für die E-Akte und bedauern, dass die Digitalisierung der Verwaltung nicht von Anfang an auf diese Weise verfolgt wurde.

Der vorliegende Haushalt rettet den Status quo hoffentlich für zwei Jahre in die Zukunft. Das ist nicht schlecht, aber es ist zu wenig für unsere Zustimmung.

Trotzdem vielen Dank allen Beteiligten für die Erstellung der Dokumente und vielen Dank für die Aufmerksamkeit!