Rede in der Stavo am 08.05.2025 zum Neubau der Brücke über die Rheinstraße
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
diese Vorlage ist für uns eine große Enttäuschung. Die anvisierte Zeitplanung erfüllt die Versprechungen nicht, und die fehlende Kostenschätzung ist eine Zumutung.
Ende 2023 hatten der Verkehrsdezernent und der Oberbürgermeister die Öffentlichkeit mit der Ankündigung überrascht, das Ergebnis des Architekturwettbewerbs und die erfolgten Planungen für die Brücke über den Haufen zu werfen. Sie hatten sich in kurzer Zeit eine Variante überlegt, die ingenieursmäßig einfacher, schneller in der Umsetzung und dabei auch noch billiger werden sollte als das ursprüngliche Konzept.
Der Jury-Vorsitzende des Architekturwettbewerbs zeigte sich in einem Interview überrascht, dass die Arbeit seines Gremiums so einfach vom Tisch gewischt wird, und er stellte fest, dass eine stützenfreie Lösung von den konsultierten Fachleuten als nicht machbar verworfen worden war. Ich nehme in letzter Zeit bei Teilen des Magistrats eine gewisse Geringschätzung der Rolle von Architekt*innen wahr. Ich halte das nicht für klug.
Die DSE hat festgestellt, dass die Erstellung einer stützenfreien Brücke über die Bahntrasse technisch möglich sei. Das bezweifelt niemand, auch die Architekten nicht. Die Frage ist aber, ob dies im vorliegenden Kontext die beste Bauweise ist und ob damit die erhofften Vorteile wirklich realisiert werden können. Für uns sieht es nicht danach aus.
Von der sogenannten Machbarkeitsstudie der DSE kennen wir leider nur eine kurze Präsentation. Wir wissen nicht, ob es auch eine ausführlicheres Dokument gibt, das die Bezeichnung „Studie“ verdient hätte. Wenn ja, dann wurde es der Öffentlichkeit mal wieder nicht zur Verfügung gestellt. Das ist eine ärgerliche Praxis des Magistrats, die eine öffentliche Debatte im Vorfeld der Entscheidung erschwert.
Der damals in dieser Präsentation vorgenommene Vergleich der Zeitpläne
zwischen ursprünglichem und neuem Konzept scheint ausschließlich von den Zeitfenstern bestimmt zu sein, die die Deutsche Bahn angeblich nur spärlich anbietet. Es wurde behauptet, dass bei einer Weiterführung der ursprünglichen Planung die Brücke erst Ende 2031 anstatt Ende 2027 fertiggestellt werden könnte. Das heißt, die verweigerte Freigabe der Bahn im Jahr 2024 würde am Ende zu vier Jahre Verzögerung nach sich ziehen. Das ist nicht plausibel.
Es ist ja durchaus nachvollziehbar, dass die DB 2024 parallel zur Riedbahnsanierung keine Ressourcen hatte, um sich um die Montage ihrer Oberleitungen zu kümmern. Aber warum hätte sie den Abriss danach
bis 2027 weiter verzögern sollen? Und anscheinend wurde noch angenommen, dass mangelnde Sperrzeiten den Neubau der Brücke weiter aufhalten. Bei der vor einigen Jahren erneuerten Stirnwegbrücke und der Hilpertstraßenbrücke gab es jedenfalls keine derartigen Restriktionen.
Ich habe den Eindruck, in der Machbarkeitspräsentation der DSE wurde passend gemacht, was passen sollte.
Ein Kostenvergleich kommt in dieser Präsentation erst auf der letzten Seite vor, und zwar mit einem Spiegelstrich, der in der Rubrik „Vorteile“ einfach behauptet: „Geringere Kosten“. Und auch in der heutigen Vorlage wird der Finanzbedarf nach dem Prinzip Hoffnung ermittelt: „Ziel ist es, die Kosten im Rahmen der ursprünglichen Projekts zu halten“
Ist das Ihr Ernst? Der Magistrat und die Koalition haben sich angesichts der Haushaltskrise monatelang mit der Konsolidierung der Finanzen beschäftigt, externe Beratung wurde hinzugezogen, freiwillige Leistungen wurden gekürzt, Preise erhöht, und das städtische Investitionsvolumen dauerhaft gedeckelt, aber bei einem „Mehr-als-100-Millionen-Projekt“ sind Sie bereit, auf eine gründliche Analyse der Kosten zu verzichten? Ich kann es kaum glauben.
Wir bringen heute einen Vorschlag in die Debatte ein, der unter anderen von dem früheren Planungsdezernenten Michael Siebert entwickelt wurde. Der Vorschlag basiert auf dem ursprünglichen Konzept und verbessert dieses hinsichtlich der Verkehrsführung und der Ausfallzeit für die Linie 9.
Außerdem gibt es gute Gründe für die Annahme, dass diese Variante auch zu deutlich geringeren Kosten umgesetzt werden kann.
Es ist bedauerlich, dass der Verkehrsdezernent diesen alternativen Vorschlag nicht beachtet, obwohl er ihn seit langem kennt. Offenbar ist er so auf seine Idee fixiert, dass er sich mit anderen Überlegungen nicht beschäftigen möchte.
Das wollen wir heute durch unseren Maßgabeantrag korrigieren.
Der alternative Vorschlag besteht darin, dass die Straßenbahntrasse bereits vor dem Maritim-Hotel aus der Straßenmitte in die nördliche Seitenlage geführt wird und auf einem eigenen Bauwerk die Bahnanlage überquert. Dies vereinfacht die Verkehrsführung am westlichen Knoten, so dass die zusätzlichen Aufstellspuren auf der Kfz-Brücke entfallen. Dadurch kann diese Brücke in der bisherigen Breite dimensioniert werden. Anders als beim Wandrey-Konzept ist die Vormontage zeitsparender Weise in einem Durchgang möglich, und wahrscheinlich könnten auch die Bestands-Pfeiler weiterverwendet werden.
Der Öffentliche Nahverkehr nach Griesheim leidet schwer unter dem Neubau einer gemeinsamen Brücke. In der Vorlage werden hierfür anderthalb Jahre veranschlagt. Wenn jedoch eine eigene Straßenbahnbrücke entsteht, ist der Schienenersatzverkehr auf den kurzen Zeitraum beschränkt, in dem das Gleisdreieck am Maritim eingebaut wird.
Jetzt komme ich zu den Kosten: Im Brückenbau gilt unabhängig von der konkreten Bauweise, dass der Materialaufwand einer stützenfreien Konstruktion deutlich höher ist als bei Verwendung von Stützen. Demnach würde eine dreifeldrige Brücke bei gleicher Spannweite nur etwa ein Drittel des Materials benötigen. Wenn die alten Pfeiler nicht ersetzt werden müssen, reduziert sich der Aufwand weiter. Wir halten einen Kostenvorteil in Höhe eines zweistelligen Millionenbetrags für realistisch. Hinzu kommt die Möglichkeit, für die Straßenbahnbrücke ÖPNV-Fördermittel einzuwerben.
Wir wollen, dass vor der Vergabe der Bauleistungen die beiden Konzepte von einem externen Büro verglichen werden im Hinblick auf die Bauzeit und den Fertigstellungtermin, auf die Dauer des Schienenersatzverkehrs, auf den Verkehrsfluss im späteren Betrieb, auf den Materialaufwand und damit auf die Nachhaltigkeit, und natürlich auf die Kosten, die auf die Stadt zukommen.
Eine erneute Prüfung erfordert zusätzliche Mittel. Diese sind jedoch angesichts der Bedeutung des Bauwerks für unsere Stadt und der auf die Gesamtkosten des Projekts vertretbar. Außerdem bietet sich die Chance einer erheblichen Kostenreduzierung.
Die Straßenbahnbrücke benötigt ein neues Planfeststellungsverfahren. Deshalb könnte die Vergabe der Bauleistungen erst Mitte oder Ende 2027 beginnen.
Somit hätte die Magistratsvariante einen Vorsprung von einem Jahr. Dieser würde allerdings abschmelzen, wenn das Ministerium den Schritt von einer dreifeldrigen zu einer stützenfreien Brücke doch nicht als unwesentlich bewertet, oder wenn es erfolgreiche Einwände oder Klagen gegen das vereinfachte Verfahren gibt. Dann müsste auch für die Magistratsvariante noch ein komplettes Planfeststellungsverfahren durchgeführt werden.
Auch wenn die von uns vorgeschlagene Lösung wegen des Genehmigungsverfahrens am Ende etwas später fertig wäre: Der Einbahnstraßenring ist so oder so mindestens sieben Jahre lang in Betrieb. Ein achtes Jahr werden die Menschen hinnehmen, wenn sich deutliche Kostenvorteile ergeben, wenn der Schienenersatzverkehr minimiert werden kann, wenn der Bau ressourcenschonender ist und wenn der Verkehr hinterher besser fließt.
Ich glaube, die Art, wie unsere Initiative medial aufgegriffen wurde trifft die Stimmung bei den Bürgerinnen und Bürgern sehr gut.
Herr Wandrey, wenn Sie das jetzt durchziehen und dafür genügend Zustimmung in diesem Haus bekommen, dann erzeugen Sie mit dem Neubau der Rheinstraßenbrücke eine enorme politische Fallhöhe für sich persönlich sowie für die Stadtverwaltung insgesamt.
Die Begründung für die Magistratsvariante ist nicht ausreichend fundiert und beinhaltet zu viele Risiken. Lassen Sie die Varianten unabhängig prüfen damit wir eine besser abgesicherte Grundlage haben, um eine verantwortungsvolle Entscheidung zu treffen.
Abschließend möchte ich Michael Siebert und das ganze Netzwerk von fachkundigen Personen erwähnen, die sich im vergangenen Jahr mit der Rheinstraßenbrücke befasst haben. Ihnen ist die fachlich fundierte Kritik und der alternative Lösungsvorschlag zu verdanken. Solche Unterstützung ist unverzichtbar für uns als Oppositions-Stadtverordnete, um stadtplanerische Themen in der nötigen Tiefe zu bearbeiten. Der Magistrat kann für seine Arbeit auf die Ämter zurückgreifen – wir sind froh dass wir eine aktive Stadtgesellschaft in Darmstadt haben.
Änderungstrag der Fraktion Die Linke
Vorlage des Magistrats zum Neubau der Brücke