„Wenn schon Bauland für Ein- und Zweifamilienhäuser vergeben wird, dann bitte im Erbbaurecht“

Rede zu den Richtlinien zur Vergabe städtischer Wohnbaugrundstücke (Vorlage 2025/0049) in der Stavo am 20.02.2025

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

der Kämmerer hat uns im HFA bestätigt, was schon zu vermuten war: Die Anzahl an Wohnbaugrundstücken für Ein- und Zweifamilienhäuser, die von der Stadt in jüngerer Vergangenheit vergeben wurden, hält sich in sehr engen Grenzen. Daher hat unsere heutige Entscheidung für zukünftige Vergaben wohl keine praktische Tragweite.

Wir wollen ohnehin nicht, dass in unserer beengten Stadt noch Ein- und Zweifamilienhäuser in größerer Zahl entstehen. Allerdings würde der neue Wortlaut den Nutznießern der bestehenden Erbbau-Verträge ein Recht auf den Kauf ihres Grundstücks einräumen. Daran ändert auch der Änderungsantrag der Koalition nichts.

Außerdem zeigt sich in der Vorlage des Magistrats eine Haltung zum Erbbaurecht, die wir nicht unwidersprochen lassen wollen.

Unser erster Kritikpunkt betrifft den rabattierten Verkauf von Baugrundstücken.

Für uns steht in Frage, warum der Eigenheimbau überhaupt sozial gefördert werden soll. Dazu fällt mir der Ausspruch ein: „Wenn ihr kein Brot habt, dann esst doch Kuchen“. Bei den aktuellen Boden- und Baupreisen in unserer Stadt gilt das umso mehr.

Aber lassen wir diese grundsätzlichen Bedenken kurz beiseite und schauen wir uns die vorgelegten Richtlinien an.

Es ist ja nicht falsch, dass die Kriterien der sozialen Förderungswürdigkeit in der neuen Fassung konkretisiert werden. Das ändert aber nichts daran, dass Fördergelder an Haushalte fließen, von denen man nicht weiß, ob sie in zehn Jahren vielleicht über ein richtig gutes Einkommen verfügen.

Im Gegensatz zur Erbbau-Variante soll beim Verkauf die Förderwürdigkeit noch nicht einmal während der ersten 15 Jahre geprüft werden. Nur wer vor Ablauf dieser Frist das Haus weiterverkauft, muss den Sozial-Rabatt erstatten. Danach gibt es gar keine Auflagen beim Weiterverkauf mehr.

Es kann also folgendes passieren: Eine junge Akademiker-Familie verfügt kurz nach dem Start ins Berufsleben noch über ein relativ geringes Einkommen und bekommt also ein vergünstigtes Grundstück. Dann baut sie – möglicherweise mit einer elterlichen Kapitalspritze – darauf ein Einfamilienhaus. Das Einkommen verbessert sich von Jahr zu Jahr und verlässt schnell den Bereich der Förderkriterien. Das hat jedoch keine Folgen in Bezug auf den gewährten Rabatt. Bald nachdem die 15 Jahre verstrichen sind, wird das Haus, vielleicht wegen einem Arbeitsplatzwechsel, mit erheblicher Wertsteigerung verkauft, und der steuerfinanzierte Rabatt in Höhe von mehreren 10.000 Euro wird dabei auch noch mitgenommen.

Während Mieter im Sozialen Wohnungsbau eine Fehlbelegungsabgabe bezahlen müssen, und bei Erbbau-Berechtigten der Rabatt alle 5 Jahre überprüft wird, dürfen wohlhabend gewordene Eigenheimbesitzer auf Kaufgrundstücken die komplette Förderung behalten.

Das ist ungerecht und sozialpolitisch eine Fehlallokation.

Wir lehnen deshalb den sozial rabattierten Verkauf von Baugrundstücken ab.

Das zweite Thema ist die Vergabe via Erbbau.

Das Erbbaurecht hat grundsätzlich zwei sinnvolle Funktionen:

Erstens für die Häuslebauer: der Kapitalbedarf in der Anfangsphase ist nämlich geringer so dass mit weniger Eigenkapital gebaut werden kann.

Zweitens für die Gesellschaft: die öffentliche Kontrolle über den Grund und Boden bleibt langfristig erhalten

    Im Falle der sozial geförderten Vergabe kommt hinzu, dass gestiegenes Einkommen berücksichtigt werden kann.

    Wenn schon Bauland für Ein- und Zweifamilienhäuser vergeben wird, dann also bitte im Erbbaurecht.

    Das sieht die SPD offenbar ähnlich. Ich mache aber darauf aufmerksam, dass der Änderungsantrag der SPD zu kurz greift. Denn wir haben ja noch die Regelung dass Erbbauberechtigte jederzeit das Recht haben, das Grundstück zu kaufen und das auch noch mit einem fragwürdigen Abschlag.

    Wenn wir also einen Vorrang für die Vergabe in Erbbau festlegen wollen, müssen wir diese Regelung in Absatz 7 / Abschnitt 4 streichen.

    Dazu haben wir einen zusätzlichen Antrag eingereicht, der die Formulierung der SPD wörtlich aufgreift, und diese noch um die nötigen Änderungen ergänzt, um den Vorrang der Erbbau-Vergabe sicher zu stellen.

    Die von der Koalition vorgeschlagene Korrektur bezüglich der Wahlmöglichkeit zwischen Kauf und Erbpacht löst unsere Bedenken nicht auf. Den Vorschlag, einen Bodenfonds zu gründen, werden wir gerne unterstützen.

    Und abschließend noch ein Blick auf das, was wirklich wichtig wäre:

    Diese Richtlinien sind nicht für Bauland für Mehrfamilienhäuser vorgesehen.

    Es gibt nicht mehr viele Flächen in Darmstadt, die ohne Naturzerstörung noch als Bauland gewonnen werden können. Es wäre notwendig, hierfür ebenfalls Vorrang für den Erbbau festzulegen, damit der öffentliche Einfluss und damit die Möglichkeit zur Begrenzung der Profite langfristig erhalten bleibt.

    Wir hätten in Darmstadt vermutlich eine andere Mietenentwicklung erlebt, wenn das in den letzten 100 Jahren so gemacht worden wäre.

    Dieses Thema bleibt also offen für den nächsten Kommunalwahlkampf!