„Die Stadt muss Immobilien mit besonderer Bedeutung auch dauerhaft erwerben“

Rede zur Verabschiedung der Vorkaufsrecht-Satzung in der Darmstädter Innenstadt in der Stavo am 11.5.2023

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

unsere Innenstädte werden sich verändern, und die Stadtgesellschaft möchte in der Lage sein,
diese Veränderungen politisch zu steuern. Das ist der begrüßenswerte Anlass für diese Vorlage.

Ich warne allerdings davor sich zu freuen, dass wir die Konsumtempel bald los sind und dann endlich Platz haben für die verschiedenen Projekte, für die sich bisher keine Räumlichkeiten finden oder finanzieren ließen.

Das klang im OB-Wahlkampf manchmal so an – da will ich mich selbst gar nicht komplett ausnehmen.

Ich will es zuspitzen: Wenn die These stimmt dass der stationäre Einzelhandel ausstirbt,

  • dann würde die Innenstadt zu einem normalen Wohnviertel, wenn man sich bei der Transformation auf Wohnraum konzentriert.
  • oder sie würde zum Gewerbegebiet, wenn man vor allem auf die Ansiedlung von Büros, Praxen, Stadtverwaltung… setzt.
  • oder sie würde zu einem Freizeitpark, wenn Gastronomie, Kultur, Feste und Events
    im Vordergrund stehen

Und auch wenn man davon ausgeht dass es gelingt, diese drei Sektoren Wohnen, Gewerbe und Freizeit
in ausgewogener Weise miteinander zu kombiniert, dann hätten wir trotzdem kein funktionstüchtiges Stadtzentrum. Darunter verstehe ich einen gemeinsamen Ort, an dem alle Darmstädterinnen und Darmstädter und auch viele Menschen aus dem Umland einen Anlass haben zusammenkommen.

Dafür ist der Einzelhandel unverzichtbar. Er muss als Kernfunktion der Innenstadt erhalten bleiben,
und es ist unsere Aufgabe, in den entstehenden Leerständen belebende Ergänzungen
anzuregen oder selbst zu entwickeln. So verstehen wir das Ziel des Innenstadt-Konzeptes, das wir demnächst in den Gremien diskutieren werden.

Und deshalb ist der Niedergang von Galeria Kaufhof-Karstadt kein bedauerlicher, aber unvermeidlicher Zwischenschritt in Richtung einer ganz anderen Innenstadt der Zukunft, wie manche meinen, sondern er ist eine Tragödie natürlich für die Beschäftigten aber auch für unser Stadtzentrum.

Hauptursache für den Niedergang dieser Warenhäuser ist nicht der Internethandel, sondern die Strategie von Karstadt und Kaufhof, nicht mehr mit dem Handel die großen Profite zu machen, sondern mit den konzerneigenen Immobilien. Der Immobilieninvestor Rene Benko hat das zuletzt auf die Spitze getrieben und die Warenhäuser als solche ruiniert.

Die Beschäftigten der Warenhäuser kritisieren zu Recht, dass die Sortimente einfallslos und zentralistisch zusammengestellt werden. Am Personal wird derart gespart, dass man kaum eine Chance hat auf eine ausführliche und qualifizierte Beratung. So kann man dem Internet natürlich keine Marktanteile streitig machen.

Um solche Verhaltensweisen eines Großkonzerns zu unterbinden ist ein kommunales Vorkaufsrecht
natürlich nicht das geeignete Instrument. Daran sieht man aber im Großen,
dass die Entwicklung der Innenstädte nicht den Kapitalinteressen überlassen werden darf. Heruntergebrochen auf unseren Handlungsrahmen heißt das, dass die Stadt ihren Einfluss nicht beschränken sollte auf Abwendungsvereinbarungen und auf die Bauleitplanung.

Laut der Vorlage soll das Vorkaufsrecht zum Zwischenerwerb von Immobilien genutzt werden.
Wir sehen aber auch die Notwendigkeit, dass die Stadt Immobilien mit besonderer Bedeutung dauerhaft erwirbt, um durch eigenes Eigentum die Entwicklung zu gestalten und die Kontrolle nicht wieder aus der Hand zu geben.

Das möchten wir Ihnen im Rahmen dieser Debatte mitgeben.

Grundsätzlich stimmen wir der Vorlage natürlich zu.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit