Für soziale Entlastung in der Krise

Rede zur Verabschiedung des Haushalts in der Stavo am 13.12.2022

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

zunächst möchte ich der Kämmerei danken für die Bereitstellung eines übersichtlichen Zahlenwerks,
mit dem sich gut arbeiten ließ.

Auch in diesem Jahr kritisieren wir nicht, dass zu viel Geld ausgegeben wird. Denn

  • was die Stadt tut, und auch, dass sie dabei manchmal über ihre Pflichten hinausgeht, ist ja im Großen und Ganzen richtig und notwendig.
  • auch der erhebliche Personalaufbau ist erforderlich, und eher noch zu gering. Wohin es führt, wenn man am Personal spart, wurde uns ja bei der Ausländerbehörde drastisch vor Augen geführt.

Natürlich gibt es auch Aktivitäten, an denen wir zweifeln. Zum Beispiel sehen wir im Bereich der Digitalstadt
noch immer keinen angemessenen Nutzen für die Bürgerinnen, der die erheblichen und wachsenden Ausgaben gerechtfertigt.

Ich will mich heute aber nicht in Diskussionen über bereits beschlossene Magistratsvorlagen vertiefen,
sondern grundsätzlichere Dinge ansprechen.

1.
An den hohen Investitionen haben wir nur zu kritisieren, dass sie erst jetzt getätigt werden. Die meisten Infrastrukturprojekte sind dringend notwendig und waren das auch schon vor 10 Jahren gewesen.

Damals hat die neugebildete Koalition aber eifrig konsolidiert und trotz niedrigem Zinssatz und bei günstigen Baukosten im Kernhaushalt gerade mal 20 – 30 – 40 Mio Euro pro Jahr investiert. Erst seit 2019
(dummerweise in zeitlicher Koinzidenz mit der Explosion der Baukosten) werden pro Jahr regelmäßig etwa 150 Mio Euro in unsere Infrastruktur gesteckt.

Das ist zu begrüßen – aber hätten Sie die Investitionen seit 2012 gleichmäßiger auf die Jahre verteilt,
dann hätten wir jetzt weniger Schulden, aber die Schulen, Straßen, Radwege und der Öffentliche Nahverkehr
wären schon eher saniert oder gebaut gewesen und wir wären ein Stück weiter mit der Verkehrswende.

2.
Eine neue Entwicklung sind die Kapitalerhöhungen für den Bauverein und das Klinikum. Beides finden wir richtig bzw. unvermeidlich, doch eine Bemerkung möchte ich jeweils anbringen:

Die Kapitalspritze für die Bauverein AG soll zur Beschleunigung der energetischen Sanierung eingesetzt werden. Gut so! Wir erwarten, dass dabei aber auch auf die sozialen Bedürfnisse der Mieterinnen Rücksicht genommen
und bei der Modernisierungsumlage Zurückhaltung geübt wird.

Der Grund für den Kapitalbedarf des Klinikums ist sehr ärgerlich. Zusätzlich zu der bereits strukturell verankerten Verweigerung der Krankenhaus-Mitfinanzierung durch die schwarz-grüne Landesregierung
wurde während der Pandemie der besondere Aufwand der maximalversorgenden Krankenhäuser
nicht ausreichend kompensiert. Es werden also, diesmal durch die rot-grün-gelbe Bundesregierung,
einmal mehr finanzielle Lasten auf die Kommune abgewälzt, die von anderen Ebenen zu tragen wären.

3.
Auf der Einnahmenseite steht neuerdings die Übernachtungssteuer, deren Einführung befürworten.

Der Magistrat hat das Besteuerungskonzept nach Intervention aus der Branche überarbeitet und von stufenweiser auf prozentuale Bemessung des abzuführenden Betrags umgestellt. Das ist völlig in Ordnung.

Wir sehen aber nicht ein, warum der Steuersatz so gewählt wurde, dass die Übernachtungssteuer in der überarbeiteten Fassung etwa ein Fünftel weniger einbringen wird als es mit der ursprünglich geplanten Bemessung der Fall gewesen wäre. Damit entgeht der Stadt eine Einnahme von etwa 150.000 Euro.

Wir hatten in der zweiten Lesung (leider ohne Erfolg) beantragt, mit genau diesem Betrag der freien Kultur
endlich einen Inflationsausgleich zu gewähren. Dieser Zusammenhang ist zwar nur zufällig,
er macht aber deutlich, dass Sie mit etwas mehr Entschlossenheit auf der Einnahmenseite
auch mehr Bedürfnisse der Stadtgesellschaft erfüllen könnten.

Jetzt komme ich zu unserer Hauptinitiative für den Haushalt, über die bei der zweiten Lesung ja eine größere Diskussion entstanden war.

Der Streit ging um die grundsätzliche Frage, ob die Kommune in der Energiepreis- und Inflationskrise breite Teile der Bevölkerung finanziell ein wenig entlasten sollte, oder nur diejenigen, die unmittelbar mit Armut zu kämpfen haben.

Es wurde deutlich, dass die Koalition sehr entschlossen ist, die Vergünstigungen zu beschränken auf die Haushalte, die gesetzliche Transferleistungen erhalten, und somit die Teilhabecard einsetzen oder Erstattungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket nutzen können.

Die gegenwärtige Krise betrifft aber auch Einkommensschichten, die keine Transferleistungen beziehen, aber trotzdem finanziell an ihre Grenzen stoßen. Wir wollen, dass auch diese berücksichtigt werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, das hatten wir ja schon bei der Erhöhung der Eintrittspreise in den städtischen Bädern: Sie sagten, weil man mit der Teilhabecard ja sowieso kostenlos schwimmen gehen kann, erhöhen wir die Preise gerade so, wie es die Entwicklung der Kosten eben notwendig macht. Und obendrein haben sie noch die Saisonkarte abgeschafft. Das hat viele Bürgerinnen geärgert, wie Sie den Leserbriefseiten entnehmen konnten, weil es eben deutlich mehr Haushalte sind, die mit den gestiegenen Lebenshaltungskosten Probleme haben. Damit haben Sie kein gutes Signal in die Stadtgesellschaft gegeben.

Auch wir wollen das Geld nicht mit der Gießkanne verteilen!

Aber es kann doch auch nicht jede Entlastung mit einem Antragsverfahren und einer Einkommensprüfung verbunden sein.

Deshalb haben wir nach einer städtischen Leistung gesucht,

  1. die von überdurchschnittlich vielen Haushalten abgerufen wird, die nur über ein knappes Budget verfügen,
  2. deren Inanspruchnahme gesellschaftlich wichtig ist und gefördert werden sollte.
  3. deren kostenlose oder vergünstigte Abgabe von vielen Menschen als legitim angesehen wird.

Hier käme natürlich die Abschaffung des Elternanteils für die Kinderbetreuung in Frage, aber das ist im kommunalen Haushalt leider nicht abbildbar.

Also haben wir uns für das Kita-Essen entschieden:

  1. Nutznießer sind meist junge Familien, bei denen die Eltern oft noch am Anfang des Berufslebens stehen
    und vielleicht ihre Arbeitszeit reduziert haben, aber eine Menge Ausgaben für ihren Nachwuchs aufbringen müssen.
  2. Wie in der Magistratsvorlage zum Kita-Frühstück festgestellt wird, sind gesunde Mahlzeiten für möglichst viele Kinder wichtig und haben außerdem Bildungs-Charakter.
  3. Die Ansicht ist weit verbreitet, dass die Kinderbetreuung mittlerweile Teil des Bildungssystems ist
    und daher kostenlos sein sollte wie der Schulbesuch.

Wir hatten bei der zweiten Lesung beantragt, 2,5 Mio Euro für kostenloses bzw. vergünstigtes Kita-Essen bereit zu stellen. Diesen Antrag stellen wir in leicht veränderter Fassung heute nochmals zur Abstimmung.

Gegen unser Initiative wurde von den magistratstragenden Fraktionen eingewendet dass auch diejenigen profitieren, die die Unterstützung gar nicht benötigen.

Wenn das so grundfalsch ist, dann frage ich Sie:

  • warum gibt es dann in Hessen ein stark vergünstigtes Senioren-Ticket, obwohl nicht wenige Rentnerhaushalte ein gutes Auskommen haben?
  • warum hat die Bundesregierung dann das 9 Euro-Ticket für alle und nicht als Sozialticket aufgelegt?
  • Und warum gilt dann der Energiepreisdeckel für alle Haushalte?
    Dass er die Großverbraucher in den Villenvierteln sogar bevorzugt ist natürlich Mist, aber grundsätzlich wird auch eine sinnvoll ausgestaltete Energiepreissubvention ohne Einkommensprüfung für alle gelten müssen.

Und genau das können wir doch jetzt auch im Kleinen machen!

Ich gebe zu, dass wir damit auch die Perspektive öffnen wollen auf einen komplett kostenlosen Bildungsweg von der Krippe bis zum Studienabschluss. Ich glaube unter den hier vertretenen Parteien ist DIE LINKE nicht die einzige, die dieses Ziel grundsätzlich anstrebt.

Dann lassen Sie uns doch heute einen kleinen Schritt in diese Richtung gehen!

Abschließend möchte ich noch feststellen, dass unserer Stadt wie fast allen anderen Kommunen auch das Geld fehlt,

  • um ausreichend Personal gut zu bezahlen,
  • um Tempo zu machen bei der Verkehrs- und Energiewende,
  • um wirklich gute Bedingungen für die Bildung zu bieten,
  • und um in der Lage zu sein,
    in der Krise für sozialen Ausgleich zu sorgen.

Daran können wir hier in der Stavo nicht viel ändern, aber Ihre Parteien können das vor allem auf der Bundesebene:

  • wir brauchen eine ertragreiche Vermögenssteuer, die auch den Kommunen zugute kommt.
  • für neue Aufgaben, mit denen die Kommunen betraut werden, müssen auch die Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden.
  • 100 Milliarden Euro dürfen nicht für immer weitere Aufrüstung, sondern müssen für den das Wohl der Menschen und den sozialen und ökologischen Fortschritt eingesetzt werden.

Vielen Dank