„Bauverein-Mieten müssen mindestens 5% unter dem Mietspiegel-Niveau bleiben“

Rede in der Stavo am 28.6.2022 zum neuen Mietspiegel 2022

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

der neue Mietspiegel ist eine absolute Katastrophe für viele Mieterinnen und Mieter.

Ich hatte einen zweistelligen Anstieg der Vergleichsmiete durchaus befürchtet,
aber dass sie nun innerhalb von vier Jahren um durchschnittlich 17% gewachsen ist, ist absolut erschreckend.

Im gleichen Zeitraum sind laut Nominallohnindex die durchschnittlichen Löhne gerade einmal um 5% gestiegen. Wir verzeichnen also einen realen Anstieg der Mieten um 12%. Das heißt: ein Mieterhaushalt, der vorher 40% des Einkommens für die Miete gezahlt hat, zahlt vier Jahre später 45%.

Hinzu kommt die Explosion der Energiepreise, die nun auch die zweite Miete in noch nicht dagewesener Weise in die Höhe treibt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist abzusehen, dass diese Kostensteigerungen viele Haushalte an die Grenzen ihrer finanziellen Möglichkeiten bringen und dass soziale Unruhe entstehen wird.

Wie wir sehen kann der Mietspiegel diese Entwicklung leider nicht stoppen, obwohl er genau dafür konzipiert wurde. Offenbar ziehen Wiedervermietungen im Bestand und Erstvermietungen von Neubauten, für die der Mietspiegel ja nicht gilt, die Vergleichsmiete derart drastisch nach oben, dass es nicht mehr reicht, nur die Bestandsmieten zu bremsen.

Deshalb wären weitergehende Maßnahmen zur Preiskontrolle erforderlich, wie z.B. ein allgemeiner Mietendeckel, der aber nur auf der Bundesebene beschlossen werden kann.

Unser Instrument in der Kommune ist die Bauverein AG.

Das städtische Unternehmen könnte dazu beitragen, die Vergleichsmiete unter Kontrolle zu halten, indem es die Möglichkeiten des Mietspiegels nicht vollständig ausnutzt. Wir haben beim Magistrat abgefragt, wie sich die Bauverein-Mieten im Vergleich zum Mietspiegel verhalten. Das Ergebnis ist enttäuschend: gerade einmal ein Viertel der frei finanzierten Wohnungen vermietet der Bauverein deutlich unterhalb des Mietspiegels. Bei 40% der Wohnungen wird die Vergleichsmiete erhoben, und mehr als ein Drittel der Wohnungen liegt sogar oberhalb des Mietspiegels.

Wir fordern die Vertreterinnen und Vertreter der Stadt im Aufsichtsrat und den Magistrat dazu auf, beim Bauverein darauf hinzuwirken, dass

  • die Bestandsmieten im Laufe der kommenden vier Jahre unabhängig vom Haushaltseinkommen mindestens 5% unter dem Mietspiegel-Niveau gehalten werden,
  • und die Erhöhungen in Schritten von nicht mehr als 3% erfolgen.
  • Bei Wiedervermietungen soll die vom Mietspiegel gesetzte Obergrenze nicht überschritten werden.

Eine solche Begrenzung des Mietenanstiegs hilft nicht nur den ca. 15.000 Menschen, die in einer frei finanzierten Bauvereins-Wohnung leben, sondern allen Mieterinnen und Mietern in Darmstadt.

Dazu haben wir einen entsprechenden Begleitantrag formuliert, für den ich um Zustimmung bitte.

Ich stelle fest, dass diese Forderungen angesichts der enormen Erhöhungsmöglichkeit, die der neue Mietspiegel bietet, durchaus zurückhaltend sind. Denkbar wäre auch die Begrenzung der Mietsteigerungen durch den Nominallohnindex oder ein komplettes Moratorium für Mieterhöhungen.

Ich höre schon den Einwand, dass ein Verzicht auf mögliche Mieteinnahmen im größeren Umfang die Rentabilität des Bauvereins in Frage stellt. Dazu sage ich: Die Kalkulation früherer Bauprojekte wurde wohl kaum mit der Annahme von solch erheblichen Mietsteigerungen erstellt wie wir sie im vergangenen Jahrzehnt hatten. Wenn der Bauverein jetzt nochmal alle Mieterhöhungsmöglichkeiten mitnimmt, die der Mietspiegel ermöglicht, dann werden in den Bestandswohnungen, die eigentlich mit geringeren Mieten finanzierbar wären, Extra-Überschüsse generiert. Wenn diese Überschüsse danach als Eigenkapital für die anstehenden Neubauten genutzt werden, dann wird aus hohen Mieten finanziert, was eigentlich der Eigentümer bezahlen müsste.

Das ist nicht in Ordnung,schon gar nicht in dieser schwierigen Zeit, in der von allen Seiten Belastungen auf die Menschen zukommen.

Lassen Sie uns diesen Mietspiegel 2022 und die Energiepreiskrise zum Anlass nehmen, die bisherige Mietenpolitik des Bauvereins in Frage zu stellen.

Am besten indem Sie unserem Antrag zustimmen, aber wenn eine neue Mietenpolitik auf anderem Wege zustande kommt, dann sind wir auch zufrieden.

Vielen Dank!