Klimapolitik ist eine Finanzierungs- und Verteilungsfrage!

Rede zum Beschluss über die Zulässigkeit des KlimaEntscheids am 1.10.2020

Sehr geehrte Frau Stadtverordnetenvorsteherin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir stehen vor dem Problem, dass wir aus formalen Gründen gegen etwas stimmen sollen, das über 5.000 engagierte Bürgerinnen zu Recht von uns einfordern, und das auch meine Fraktion für notwendig hält: nämlich dass wir außerordentliche Maßnahmen ergreifen in einer sehr bedrohlichen Situation.

Deshalb stellen wir einen Begleitantrag zur Abstimmung, mit dem wir allen Klimabewegten in der Stadt signalisieren würden, dass die Stadtverordneten sie nicht einfach verweisen auf den Rahmen der bestehenden Haushaltslage, der durch die Corona-Krise ja noch verschlechtert werden wird, und dass wir sie auch nicht abspeisen mit dem Hinweis auf fehlende rechtliche Möglichkeiten gegenüber der Stadtwirtschaft. Wir schlagen vor, dass wir begleitend zu der Vorlage, die den KlimaEntscheid für unzulässig erklärt, gemeinsam bessere finanzielle Rahmenbedingungen fordern, die für die tiefgreifende Umstrukturierung der kommunalen Infrastruktur notwendig sind.

Wir sind nicht glücklich mit dem Tenor der Magistratsvorlage, dass die Stadt ja ohnehin schon alles macht oder plant, was sinnvoll und bezahlbar ist. Denn die umfassende energetische Sanierung wenigstens des städtischen Gebäudebestands ist nicht in dieser Vorlage enthalten. Und der gerade beschlossene Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs um 30% ist auch noch deutlich entfernt von den geforderten 80% bis 2030.

Wir wollen damit außerdem ein Signal senden an diejenigen, die befürchten, dass eine entschlossene Klimapolitik auf Kosten der sozialen Leistungen des Staates geht. An dieser Stelle muss ich auch den Versuch meines Vorredners von der AfD zurückweisen, die Interessen der Einkommensschwachen gegen den Klimaschutz auszuspielen. Arme Länder und arme Menschen werden am meisten zu leiden haben unter der Klimaerwärmung. Gebäudesanierung muss subventioniert werden, damit sie sozial gerecht wird. Nur so ist den Menschen wirklich geholfen.

Herr Oberbürgermeister, Sie haben beim Neujahrsempfang „die Überwindung einer Wirtschaftsform, die unseren Planeten zu zerstören droht“ und einen „Green New Deal der Weltwirtschaft“ gefordert. Roosevelts „New Deal“ war nicht nur eine neue Idee von Wirtschafts- und Sozialpolitik, er betraf auch die Steuerpolitik, denn die Veränderungen mussten finanziert werden. Genau das gilt auch heute. Klimapolitik ist im Wesentlichen eine Finanzierungs- und Verteilungsfrage!

Wenn wir das nicht anerkennen, dann wird Darmstadt die Netto-Null in 15 Jahren nicht erreichen.

Ein sozialer und ökologischer „New Deal“, der die Verhältnisse auch wirklich verändert, muss die Klimapolitik finanzieren aus der Besteuerung großer Vermögen, Einkommen & Unternehmensgewinne. Das ist der erste Spiegelstrich unseres Antrages.

Der zweite betrifft die unselige Schuldenbremse.

Der Klimaentscheid rechnet mit 37,2 Millionen Euro laufenden Kosten. Wenn 25 Millionen davon als Investitionen ausgegeben werden, dann entspricht das bei dem aktuellen Zinssatz und einem 30-jährigen Kredit rund 700 Millionen Euro, die für die Vorhaben des KlimaEntscheids zur Verfügung stünden. Bei einem 50-jährigen Kredit wären es über eine Milliarde Euro. Damit käme man schon ziemlich weit. Nur kann man es nicht machen, weil es die Schuldenbremse gibt.

Die Kosten der Unterlassung dieser Investitionen sind wahrscheinlich deutlich höher. Oder anders ausgedrückt: anstelle von Geldschulden würden wir gegenüber künftigen Generationen Klima-Schulden anhäufen.

Ganz gleich wie jeder und jede von uns selber bei der Entscheidung zwischen Geld und Klima gewichtet: Ohne Schuldenbremse wäre die Finanzierung des KlimaEntscheids möglich und damit eine politische Frage, die man den Bürger*innen vorlegen könnte!

Deshalb muss die Schuldenbremse abgeschafft werden!

Unser dritter Punkt ist die Verfasstheit des Stadtkonzerns.

Das Rechtsamt führt aus, dass den privatrechtlich verfassten städtischen Unternehmen über einen Bürgerentscheid keine Vorgaben gemacht werden dürften.

Damit ist der komplette Bereich der Daseinsvorsorge der demokratischen Mitbestimmung entzogen. Weder die Stadtverordneten noch die Bürgerinnen und Bürger selbst dürfen direkt über die Verwendung des öffentlichen Eigentums entscheiden. Das muss geändert werden.

Eine Möglichkeit wäre, die AGs und GmbHs des Stadtkonzerns in öffentlich-rechtliche Kommunalunternehmen nach §126a HGO mit geeigneten Satzungen umzuwandeln.

Mit unserem Antrag wollen wir eine entsprechende Prüfung anstoßen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden der Vorlage des Magistrats zustimmen, weil sie in vielen Aspekten die Absichten des KlimaEntscheids aufgreift. Ein „Nein“ wäre das falsche Signal.

Begleitend stellen wir unseren Antrag, der darauf abzielt,

  • die Bedingungen für demokratischen Einflussnahme durch Bürgerentscheide zu verbessern
  • und die finanziellen und haushaltsrechtlichen Rahmenbedingungen
    für einen „New Deal“ in der Klimapolitik zu schaffen.

Dafür bitten wir um Zustimmung

Vielen Dank