Rede zur Vorlage „Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme Arheilgen/Wixhausen“ am am 29.10.2019 in der StaVo
Sehr geehrte Frau Stadtverordnetenvorsteherin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir nehmen die Vorlage zum Anlass, das rasante Wachstum der Stadt kritisch anzusprechen.
In der bisherigen Diskussion
- wird die Konzentration der Menschen in Ballungsräumen und das Wachstum unserer Stadt als eine Art Naturgesetz angesehen.
- Die Entwicklungsziele ergeben sich aus Prognosen, die aus Fortschreibung des Trends hergeleitet sind.
- Eine politische Gestaltungsmöglichkeit durch Regionalplanung wird bezweifelt, oder man feiert sich als Schwarmstadt und freut sich über gute Position in der regionalen und überregionalen Konkurrenz
Wir teilen nicht die Begeisterung für dieses Wachstum, sondern wir
wollen eingreifen – mit dem Ziel es zu dämpfen.
Zunächst will ich wichtige Probleme dieser und anderer Erweiterungen unserer Stadt ansprechen:
- Die Verkehrsinfrastruktur wird mehr und mehr überlastet.
- Die Stadtökologie wird beeinträchtigt. Frischluftschneisen und kühlende unversiegelte Flächen fallen weg.
- Beim Bau entstehen Treibhausgase, andererseits ergibt sich ein Verlust von Wald und Grünflächen.
- Im konkreten Fall der geplanten Gewerbegebiet haben wir es mit dem Verlust von Ackerland zu tun. Der Boden dort ist nicht der Schlechteste. Im Zeichen der Klimaerwärmung und der daraus folgenden schwierigeren Bedingungen für den Anbau von Lebensmitteln ist es wichtig, solche Flächen zu erhalten.
Dieses Projekt wie auch insgesamt das Wachstum der Stadt hat negative Folgen für den Klimaschutz und die Klimaresilienz in unserer Stadt. Ich wundere mich deshalb dass das Vorhaben bei der grünen Partei so glatt durchgeht.
Übrigens wird die Entwicklung der Schwarmstädte von den Autoren der empirica-Studie von 2015 („Schwarmstädte in Deutschland“) von Prof. Dr. Harald Simons und Lukas Weiden, erstellt im Auftrag des Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V.), die diesen Begriff geprägt hat, nicht so positiv bewertet wie es hier viele tun. In einem Folienvortrag über diese Studie heißt es zuspitzend:
„Schwarmverhalten produziert zwei Probleme: Knappheiten in den wenigen Schwarmstädten, Leerstand in allen anderen Regionen“, was zu den Folgerungen führt: „Schwarmverhalten eindämmen! Attraktivität außerhalb der Schwarmstädte erhöhen“
Das Schwarmverhalten ist vor allem ein kulturelles Phänomen, darauf haben wir erstmal wenig Einfluss.
Aber: Viele Menschen folgen auch der Wirtschaftsentwicklung, gehen dahin wo es Arbeitsplätze gibt. Die können auch woanders neu entstehen als hier, dort, wo man sie nötiger braucht um den Ort oder die Region lebendig zu halten.
Das Grundgesetz fordert gleichwertige Lebensverhältnisse – interessiert das überhaupt noch irgendjemanden?
Das ist der Hebel, den wir haben – und der ist genau das Thema der Vorlage!
Wir bestreiten nicht, dass die Schaffung von Wohnraum, insbesondere von bezahlbarem Wohnraum, notwendig ist. Wir wollen niemanden vertreiben, der schon da ist, und wir heißen alle willkommen, die hier einen neuen Job antreten, einen Studienplatz bekommen haben, oder aus einem anderem Grund nach Darmstadt ziehen.
Raum für die benötigten Wohnungen lässt sich schaffen durch
- Vergabe freiwerdender Flächen mit Priorität beim Wohnen
- moderate Innenentwicklung
- Bebauung von bereits versiegelten größeren Flächen am Stadtrand, wie es künftig im Ludwigshöhviertel oder im Osten der Waldkolonie geschehen soll.
Was wir aber nicht wollen ist, dass eine Spirale in Gang gesetzt wird: neue Wohnbebauung entspannt den Wohnungsmarkt, dann werden neue neue Gewerbeflächen ausgewiesen, die ihn wieder unter Druck setzen, weshalb dann neue Wohnungen entstehen müssen, die sich schließlich auch nach außen in Wald und Ackerflächenfressen.
Wir wollen, dass diese Spirale unterbrochen wird. Gewerbeflächen sollen zurückhaltend ausgewiesen werden, mit dem vorrangigen Ziel, Darmstädter Unternehmen deren Arbeitsplätze zu halten.
Wenn wir die Entwicklung so weiter laufen lassen, erhalten wir einerseits hochverdichtete Ballungsräume, so etwas wie „Megacities“ zumindest für deutsche Verhältnisse, und andererseits entvölkerte und abgehängte Regionen.
Eine solche Spaltung finden wir sozial und ökologisch nicht wünschenswert. Außerdem glauben wir nicht, dass bei einem derart massiven und schnellen Strukturwandel die Klimaziele erreichbar sind, über die wir im August ja hier diskutiert hatten.
Die Folgen für die politische Verhältnisse in den abgehängten Regionen
sind uns zuletzt bei einigen Wahlen eindrücklich vorgeführt worden.
Das führt uns zu einigen Schlussfolgerungen:
- Wir lehnen die Entwicklung der Gewerbeflächen und überhaupt die Bebauung der Flächen in Arheilgen und Wixhausen ab, weil das
unökologisch und klimaschädlich ist, und weil es ein Wachstum weiter befeuert, das immer mehr Menschen Unbehagen bereitet. - Wir fordern eine breite Diskussion mit Verbänden, Gewerkschaften und
mit der Bürgerschaft über eine soziale und ökologische Entwicklungsstrategie. - Wir regen wie bereits beantragt die Erstellung eines Baulückenkatasters an, und
- wir drängen auf eine regionale und überregionale Strukturpolitik, die an Stelle der Konkurrenz der Kommunen eine Kooperation pflegt, mit dem Ziel einer gleichmäßigeren Entwicklung innerhalb und zwischen den Regionen.