Rede bei der Kundgebung der hessischen Friedensbewegung am 6.3. in Frankfurt
Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,
mein Name ist Uli Franke, ich spreche für das Darmstädter Friedensbündnis. Unser Bündnis versteht sich als Teil der Friedensbewegung, und es hat in wechselnder Besetzung und mit unterschiedlicher Intensität eine lange Geschichte in unserer Stadt.
Wir haben am vergangenen Wochenende in Darmstadt eine ergänzende Mahnwache veranstaltet zu der großen Kundgebung der Parteien und Organisationen, und wir haben dort eine Erklärung verteilt, an der sich dieser Redebeitrag orientiert. Es ist gelungen, mit dieser Erklärung die Menschen dort anzusprechen und nachdenklich zu machen.
Wir wollten uns nicht einfach dieser großen Kundgebung anschließen, weil dort der russische Angriff ganz ohne geschichtlichen und politischen Kontext betrachtet wurde.
Es ist richtig: in der jetzigen Situation muss es zuallererst um gemeinsame Anstrengungen gehen, diesen Krieg zu beenden. Warum wir trotzdem gerade jetzt die Vergangenheit nicht ausblenden wollen, werde ich gleich begründen.
Liebe Zuhörerinnen, liebe Zuhörer,
in den vergangenen Tagen erreichten uns immer neue schlimme Nachrichten, die uns erschrecken und betroffen machen.
Russland hat einen massiven Angriff auf die gesamte Ukraine gestartet und eine militärische Invasion begonnen. Offensichtlich wird angesichts der ukrainischen Gegenwehr nun auch die Zivilbevölkerung nicht mehr geschont. Vorgestern wurde ein Atomkraftwerk beschossen.
Das ist eine politische und humanitäre Katastrophe. Die Friedensbewegung hat nicht mit einer derart unverantwortlichen Aggression gerechnet.
Diese Aggression verurteilen wir ohne jeden Vorbehalt.
Das maßlose Handeln Russlands lässt sich weder mit der Vorgeschichte des Konflikts legitimieren noch mit dem Schutz der Menschen in Donezk und Luhansk.
Durch den Angriff auf die Ukraine ist die russische Politik von der Verteidigung nachvollziehbarer Sicherheitsinteressen ganz offen zu imperialistischem Großmachtstreben übergegangen.
Dieser Krieg und seine wirtschaftlichen Folgen wird Millionen Menschen Tod, Elend, Flucht und weitere Verarmung bringen, vor allem in der Ukraine, aber auch in Russland selbst, in den osteuropäischen Nachbarstaaten und in Deutschland (jedenfalls was die Verarmung betrifft). Die Konfrontation der Machtblöcke wird sich völlig verhärten und die Kriegslogik in den internationalen Beziehungen wird weiter vorangetrieben. Wenn nun noch die Orgie gegenseitiger Sanktionen weiter geht, droht eine weitgehende Entflechtung der Weltwirtschaft mit gravierenden Folgen für Wohlstand und Entwicklung weltweit.
Dafür tragen Russland und Präsident Putin einen großen Teil der Verantwortung.
Wir müssen aber weiterhin auch die westliche Politik gegenüber Russland kritisieren und dürfen die zehnjährige Vorgeschichte der Ukraine-Krise nicht einfach ausblenden.
Das ist notwendig, weil sonst unverständlich bleibt, warum sich die russische Politik in diese Richtung entwickelt hat und warum diese Politik Rückhalt in der Bevölkerung finden kann, obwohl die Menschen durch den Krieg überhaupt nichts zu gewinnen haben.
Es ist eben nicht bedeutungslos, dass das Minsker Abkommen nicht umgesetzt und regelrecht blockiert wurde!
Wir sind davon überzeugt: Wer die Hintergründe der aktuellen Eskalation nicht versteht, kann auch keine Perspektiven für Verhandlungslösungen entwickeln.
Eine Verhandlungslösung ist keine Utopie:
- Russland muss die Kriegshandlungen sofort einstellen, die Ukraine verlassen
und deren Selbstbestimmungsrecht gewährleisten. - Die westlichen Staaten müssen bereit sein, über die nachvollziehbaren Sicherheitsinteressen Russlands ernsthaft zu verhandeln.
- Und die Ukraine muss akzeptieren, dass die Anerkennung der Bedürfnisse des kulturell und ökonomisch an Russland orientierten Bevölkerungsteils eine unabdingbare Voraussetzung für inneren und äußeren Frieden ist.
Ich habe vorhin angesprochen, dass die Kriegslogik durch den russischen Angriff weiter vorangetrieben wird.
Das mussten wir in unserem Land bereits eine Woche nach Beginn der Kampfhandlungen erleben, als in unglaublichem und unverantwortlichem Tempo ein gigantisches Aufrüstungsprogramm in Gang gesetzt wurde, das sich natürlich auch als Verarmungsprogramm erweisen wird.
Hierfür trägt nicht Putin die Verantwortung, sondern die Bundesregierung und alle anderen, die deren Aufrüstungspolitik im Bundestag mittragen.
Denn diese Aufrüstung hilft jetzt überhaupt nicht, um für die Ukraine die Selbstbestimmung zurück zu gewinnen, eher das Gegenteil wird der Fall sein.
Diese Aufrüstung ist auch nicht erforderlich, um die westlichen Staaten künftig gegen russische Angriffe zu schützen. Die NATO gibt seit Jahren mehr als 10 Mal so viel für Rüstung aus wie Russland. Eine massive weitere Aufrüstung verbessert allerdings die Angriffsfähigkeit und bereichert die Rüstungskonzerne. Beides können wir nicht wollen.
Deshalb muss es ein Konsens in der Friedensbewegung bleiben dass wir eine weitere Militarisierung der deutschen Außenpolitik ablehnen und Widerstand leisten gegen das 100 Milliarden-Aufrüstungsprogramm.
Wir dürfen uns jetzt nicht ducken, sondern müssen diese Position in die Gesellschaft tragen, bei den Ostermärschen, durch Mahnwachen, Veranstaltungen, Leserbriefe und andere Aktivitäten.
Wir fordern:
- die Beendigung des russischen Angriffskriegs !
- einen sofortigen Waffenstillstand und den Rückzug der russischen Truppen
hinter die international anerkannten Grenzen der Ukraine ! - Solidarität mit den Antikriegsprotesten in Russland !
- Offene Grenzen für Flüchtende und politisches Asyl für Deserteure
- Zurück zu Verhandlungen unter Anerkennung der nachvollziehbaren Sicherheitsinteressen Russlands !
- Nein zur weiteren NATO-Osterweiterung !
- Gegen das 100-Milliarden-Aufrüstungsprogramm der Bundesregierung.
- Es bleibt dabei: Abrüstung statt Aufrüstung !
Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter,
treten wir gemeinsam ein gegen Krieg, Hass und Zerstörung:
Die Waffen nieder ! Überall !
Für Frieden in Europa und auf der Welt !