„Es kann nicht sein, dass Sie Arheilgen einen Einkaufsmarkt regelrecht aufzwingen“

Rede zum Beschluss über die Errichtung eines großen Aldi-Marktes im Zentrum von Arheilgen in der Stavo am 10.2.2022

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

für mich ist es verwunderlich, dass die Koalitionsfraktionen nicht davon abzubringen sind, dieses unbeliebte Projekt gegen massive lokale Widerstände mit knappster Mehrheit durchzusetzen.

Eine der Koalitionsparteien hat ja in Arheilgen ohnehin nicht besonders viel zu verlieren. Aber dass der andere große Partner den Frieden innerhalb der eigenen Organisation hinter den Bau eines Einkaufsmarkts zurückstellt, das ist schon bemerkenswert und für einen Außenstehenden schwer verständlich.

Eine Erklärung dafür könnte sein, dass Sie als ersten Schritt des Prozesses den städtischen Teil des Baulands an die Firma Aldi verkauft haben. Ich stelle mir vor, dass das zu einem erheblichen Druck führt, dem Käufer dann auch die gewünschten Rahmenbedingungen zu servieren

Dieses demokratische Dilemma ist übrigens einer der Gründe, warum wir vorhabenbezogene Bebauungspläne problematisch finden und ihre Anwendung möglichst vermeiden wollen.

Möglicherweise hat das Dilemma Sie in die Sackgasse manövriert, aus der Sie seitdem nicht mehr heraus gefunden haben. Aber es gibt heute noch eine letzte Wendemöglichkeit, und ich finde es gibt zahlreiche gute Gründe, diese Möglichkeit zu nutzen. Viele Bewohnerinnen Arheilgens hoffen sehr darauf!

Und auch Aldi würde es sicher gut verkraften, denn der heutige Bodenrichtwert liegt deutlich über dem damaligen Kaufpreis.

Der erste und wichtigste gute Grund: die Entscheidung hat große demokratische Defizite

Nicht jede von einer Interessengruppe lautstark geäußerte Meinung entspricht der Haltung der Mehrheit, das wissen wir nicht erst seit den Querdenker-Demonstrationen.

Aber in Arheilgen existiert tatsächlich eine weit verbreitete Stimmung gegen das geplante Einkaufszentrum. Ich finde, der beste Beweis dafür ist die Tatsache, dass sich der Ortsverband der CDU gegen seinen Kreisverband stellt und sich gegen das Projekt gewendet hat. Das tut man doch nur, wenn man genau weiß, dass es wirklich sehr unpopulär ist!

Nicht jedes Vorhaben, das vor Ort Widerstand erfährt, sollte aus diesem Grund fallen gelassen werden. Manchmal gibt es übergeordnete allgemeine Interessen die die Umsetzung trotzdem erforderlich machen.

Aber ein Einkaufsmarkt ist doch genau für die Menschen vor Ort gedacht, da gibt es kein übergeordnetes Interesse, außer vielleicht dem des Investors, aber dessen Interesse ist kein allgemeines, das wir hier berücksichtigen müssten.

Die Arheilgerinnen und Arheilger benennen weitere gute Gründe, warum sie das Vorhaben ablehnen:

Sie finden die klotzige Architektur und die Größe des Gebäudes unangemessen für das Zentrum ihres dörflich strukturierten Stadtteils.

Sie befürchten eine weitere Verschärfung der Verkehrsprobleme in der Frankfurter Straße durch den Kunden- und den Lieferverkehr.

Sie können sich bessere Nutzungen für das Areal vorstellen.

Diese Einwände sind stichhaltig und nachvollziehbar.

Eine Anwohnerin hat in ihrer heute an uns weitergeleiteten Zuschrift noch einmal sehr eindrücklich geschildert, welche Probleme sie auf ihre Nachbarschaft zukommen sieht und was die Leute sich eher wünschen als diesen Aldi-Markt.

Es kann doch nicht sein, dass die Mehrheit dieses Hauses diese Kritik einfach ignoriert und es für richtig hält, den Arheilgerinnen und Arheilgern einen Einkaufsmarkt regelrecht aufzuzwingen!

Noch ein paar Worte zur Frage des Bedarfs:

Speziell an uns wurde gelegentlich die Frage gerichtet warum wir uns gegen die Ansiedlung eines Discounters aussprechen, obwohl dieser doch besonders günstige Einkaufsmöglichkeiten für Menschen mit geringem Einkommen bietet.

Dazu ist zu sagen:

Erstens: Im Zentrum gibt es mit dem Edeka-Markt bereits einen Vollversorger, der nicht im hochpreisigen Segment angesiedelt ist.

Zweitens: Der existierende Aldi in Arheilgen ist vom Zentrum aus zu Fuß in 12 Minuten zu erreichen,
mit den Rad in 3 Minuten und bei Anfahrt mit dem ÖPNV läuft man 600 Meter zusätzlich anstatt 200 Meter. Für diesen kleinen Zeitvorteil, den die Bewohnerinnen des Zentrums und des Nordens von Arheilgen hätten, muss kein zweiter Discounter-Markt errichtet werden.

Drittens: Auch wir wollen die mobilitätseingeschränkten Bürgerinnen nicht aus den Augen verlieren. Für diese sind das große Entfernungen. Aber: Wenn wir über Menschen reden, die sich nur in einem Radius von einigen Hundert Metern um ihre Wohnung herum selbstständig bewegen können, dann bräuchte es mehrere kleine Nahversorger im Norden, Westen und Südosten des Stadtteils, und keinen riesigen Markt wie er hier geplant ist.

Ich fasse die Argumente zusammen:

  • Es gibt stichhaltige stadt- und verkehrsplanerische Einwände gegen die vorgelegte Planung
  • Es gibt eine Stimmung gegen das Projekt insgesamt
  • Es gibt keinen dringenden Bedarf an einem zweiten großen Discounter

Deshalb appellieren wir an die Koalition: Lassen Sie uns auf Aldi Nummer Zwei verzichten!

Dann können auf dem Gelände mehr als die vorgesehenen 16 Wohnungen errichtet werden und außerdem bleiben noch öffentlich nutzbare Freiflächen erhalten.

Und lassen Sie uns im nächsten Anlauf einen regulären Bebauungsplan aufstellen der ein demokratisches Verfahren ermöglicht und der die Wünsche der Menschen vor Ort beinhaltet.

Ich bin überzeugt, die große Mehrheit der Arheilgerinnen und Arheilger wird es Ihnen danken.